Die Ressentiments rechts eingestellter Menschen in Deutschland gegenüber Muslimen zeigen sich immer häufiger durch verbale Anfeindungen und Übergriffe auf vor allem kopftuchtragende Musliminnen.
Dunkelziffer der Übergriffe ist weitaus höher
Anfang August wurde eine schwangere Muslimin in einem Berliner Bus von einem 20-Jährigen zunächst verbal angegangen. Anschließend hat er sie dann bespuckt und zuletzt festgehalten und geschlagen. Dabei hat er ihr unter anderem auch das Knie in den Bauch gerammt. Mitfahrer schritten ein und konnten den Täter von der Frau lösen.
In Leipzig haben im selben Monat zwei Männer sechs kopftuchtragende Frauen rassistisch beleidigt und verfolgt. Schließlich konnten die Frauen in eine Straßenbahn flüchten. Ihnen kamen auch zwei Männer zur Hilfe. Gegen einen von ihnen wird nun wegen dem Versprühen von Reizgas wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Dies ist keine zuvorkommende Gegenleistung für die gezeigte Zivilcourage, die leider bei der Mehrheit der rassistischen Übergriffe noch immer ausbleibt.
Eine kurze Recherche zeigt, dass allein der August weitere Angriffe auf Muslime zählt. Diverse Anlaufstellen bieten mittlerweile die Meldung islamfeindlicher Übergriffe an. Seit 2017 erfasst das Bundesinnenministerium islamfeindliche Straftaten als gesonderte Kategorie im Rahmen der politisch motivierten Kriminalität. Allerdings gingen in den vergangenen Jahren aus Berichten von islamischen Organisationen, die eigenständige Erhebungen durchführen, höhere Zahlen hervor. Dies mag zum einen daran liegen, dass die Behörden manche Straftaten nicht als islamfeindlich erkennen. Zum anderen bringen die Betroffenen viele Fälle auch nicht zur Anzeige oder melden sie den Behörden, weshalb von einer noch höheren Dunkelziffer ausgegangen wird.
Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten steigt
2021 zählte das Bundesamt für Verfassungsschutz in Deutschland das Personenpotenzial gewaltorientierter Rechtextremisten auf 13.300. Etwa 300 Personen mehr als im Vorjahr und die höchste registrierte Zahl seit 2015. Folglich liegt auch die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten hoch. Neben der hier auch höher geschätzten Dunkelziffer geht man von über 22.300 Straftaten aus. Trotz der großen historischen Verantwortung, die auf Deutschland in Bezug zum Rechtsextremismus liegt, werden gegenüber diesem großen gesamtgesellschaftlichen Problem nur unzureichende Gegenmaßnahmen ergriffen.
Die immer wieder ans Tageslicht kommenden Verstrickungen von Behördenangehörigen in rechtsextreme Netzwerke lassen zudem das Vertrauen in diverse Sicherheitsapparate schwinden. Innerhalb der Gesellschaft zeigen sich rechtsextreme Einstellungen hemmungslos durch zunehmende Hetze im Netz, durch die steigenden Zahlen an rassistisch motivierten Straftaten und nicht zuletzt durch die politische Einbindung der rechtspopulistischen AfD, deren anfänglichen Erfolge auch einen Rechtsruck der etablierten Parteien motivierten.
Normalisierung antimuslimischer Einstellungen
Antimuslimische Einstellungen sind längst kein Randphänomen mehr. In den vergangenen Jahren haben führende Persönlichkeiten aus Politik, Medien und Wissenschaft das antimuslimische Klima angeheizt. Im öffentlichen Diskurs beleuchtet man den Islam hauptsächlich im Kontext negativer Berichterstattung. Pauschalisierende, diskriminierende Sichtweisen über Muslime erhielten Legitimationen durch geführte Scheindebatten. Im Vorwand der Meinungsfreiheit überträgt man rassistische Markierungen auf Muslime. Der antimuslimische Rassismus wurde anschlussfähig. Die nun messbare gesellschaftliche Diskriminierung von Muslimen in Deutschland ist also nur eine Folge der jahrelangen Normalisierung von diskriminierenden Einstellungen gegenüber Muslimen im öffentlichen und medialen Diskurs. Und nicht zuletzt auch Folge der Symbolwirkung ihrer Benachteiligung in diversen Lebensbereichen, die vom Neutralitätsgesetz getragen und diversen Urteilen dazu gestützt wird.
Politik und Medien müssen endlich umlenken
Dass bei den alltäglichen Übergriffen und Anschlägen auf Muslime und Moscheen nicht mehr von Einzelfällen gesprochen werden darf, liegt auf der Hand. Dies bedarf eines entschlossenen Vorgehens, um diese besorgniserregende, gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland einzudämmen. Beginnen könnten Politik und Medien damit, dem antimuslimischen Populismus mit klaren Worten zu widersprechen und diesem gesamtgesellschaftlichen Problem erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.
Es darf schlichtweg nicht sein, dass sich rechtsextremistische Anschläge, wie die Morde in Hanau oder des NSU, wiederholen und es darf auch nicht sein, dass sich Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit auf den Straßen nicht mehr sicher fühlen.