In dem Fall des getöteten Flüchtlings aus Senegal, Mohammed D., sind nun genaue Details des Tathergangs veröffentlicht worden. Diese zeigen, dass der 16-Jährige bei dem Polizeieinsatz gar keine Chance hatte, lebend aus der Situation zu kommen.

Von Mohammed ging laut Untersuchung keine Gefährdung anderer Personen aus

Anfang August erschoss ein 29-jähriger Polizeikommissar den 16-jährigen Senegalesen im Hof einer Dortmunder Jugendeinrichtung mit einer Maschinenpistole (MP5). Zwölf Polizeibeamte seien angerückt, nachdem sie ein Mann von der Jugendhilfe St. Elisabeth im Norden der Stadt alarmierte.

Eine aktuelle gründliche Untersuchung zeigt, dass von Mohammed D., der womöglich suizidgefährdet war, keine Gefährdung anderer Personen ausging. Bei der Untersuchung konnte man den Tathergang sehr genau rekonstruieren. Dies war durch Zeugenaussagen, aber auch durch Tonaufzeichnungen eines Zeugen, der sich in der Leitung mit der Polizei befand, möglich.

Die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes war die Kernfrage der strafrechtlichen Ermittlung. Dies hat man im Ausschlussprotokoll der Sondersitzung im Landtag vom 7. September 2022 diskutiert.

Polizeikommissar schoss mit der Maschinenpistole 0,717 Sekunden nach Tasereinsatz

Als die zwölf Polizisten eintrafen haben sie Mohammed zuerst mit Pfefferspray attackiert und unmittelbar darauf mit zwei Tasern beschossen. Diese lähmen das Nervensystem des Getroffenen für vier bis fünf Sekunden. Die Analyse der Tonaufnahme ergab, dass der Schuss aus der Maschinenpistole 0,717 Sekunden nach dem wahrnehmbaren Tasergeräusch abgegeben wurde. Dabei handele es sich bei der Zeitangabe um eine maximale Schätzung. Das bedeutet, der Abstand zwischen Tasereinsatz und Schussabgabe könnte auch noch kürzer gewesen sein. Weniger als eine Sekunde bis den Jungen sechs Projektile trafen, von denen fünf, laut Obduktion, tödlich waren. Zwischen Pfefferspray und Taser-/Maschinenpistoleneinsatz lagen nicht einmal 20 Sekunden.

Mohammed D. stand laut toxikologischem Gutachten nicht unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. Er saß teilnahmslos auf dem Hof unter freiem Himmel mit dem Rücken an einer Kirchenmauer und hielt sich ein Messer vor den Bauch. Ein 16-jähriger Junge unter Stress, der womöglich suizidgefährdet war und kein Deutsch sprach.

Oberstaatsanwalt Carsten Dombert sagte dazu bereits Anfang September: “Die Lage war statisch. Der Jugendliche saß da und tat nichts.” Einen Übersetzer oder psychologische Unterstützung haben die Polizisten ebenfalls nicht angefordert.

Anfangs sprach NRW-Innenminister noch von Notwehr der Polizei

Kurz nach dem Einsatz sprach man von einer Notwehrsituation. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte sich beeilt eine mutmaßliche Bedrohungslage zu konstruieren. Es hieß unter anderem, dass Mohammed D. mit gezücktem Messer in Richtung der Polizisten lief. Jedoch konnte nach der Untersuchung nicht mal mit letzter Gewissheit geklärt werden, in welcher Hand der Jugendliche das Messer gehalten habe. Die Ermittlungen ergaben auch nicht, dass er von der Polizei dazu aufgefordert wurde das Messer wegzulegen. Genauso konnte man, nach Auswertung des Polizeifunkverkehrs, nicht feststellen, dass eine Warnung, weder vor dem Einsatz des Pfeffersprays, noch vor dem Einsatz von Tasern und MP5, ausgesprochen wurde.

Ob nun Fremdenhass, blinder Aktionismus oder Inkompetenz der Grund für diesen tragischen Vorfall war, ein junger Mann, der eigentlich Hilfe gebraucht hätte, musste mit seinem Leben bezahlen. Es bleibt zu hoffen, dass der Staat die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht und die Polizei Maßnahmen ergreift, damit sowas nie wieder passiert.

Mohammed