Dana Bakr ist 11 Jahre alt und hat den Vorlesewettbewerb in Bonn gewonnen. Hätte sie die Kommentare zu ihrem Sieg bei der Siegerehrung vorlesen können, wäre das ein trauriger aber denkwürdiger Realitätscheck für unsere Politiker. Die Worte ihres Vaters treffen ins Schwarze: „Egal, wie lange man hier lebt. Man wird immer ein Außenseiter bleiben.“1
Das Gefühl, immer ein Ausländer zu sein, niemals vollwertig akzeptiert zu werden, teilen viele in Deutschland lebende Mitbürger mit Migrationshintergrund. Vor allem praktizierende Muslime müssen fast täglich diese Erfahrung machen. Die Kommentare von Danas Schwestern „Wir kennen solche Reaktionen aus der Schule“ und „Wir haben uns daran gewöhnt und reagieren gar nicht mehr“ zeigen die traurige Realität, mit der junge muslimische Mädchen und Jungen zu kämpfen haben.
Es ist einfach, in Situationen wie diesen den Ball der Schuld in eine Richtung zu schieben. Sicher lässt sich aber eines sagen: So lange die Medien ein rechtes und islamfeindliches Narrativ in die Bevölkerung tragen, ist es nicht möglich, dass die unsere Gesellschaft mit ihren verschiedenen Kulturen und Religionen zusammenwächst. Während in England und Neuseeland Polizeiuniformen mit Hijab für die Muslima oder Turban für den Sikh als selbstverständlich gelten, wird in Deutschland versucht, jegliche Form des religiösen Lebens aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Man ist und bleibt ein Außenseiter, ein Ausländer, egal ob man in der dritten oder vierten Generation in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Wenn Tolerant für jede Form der Vielfalt gefordert und erlaubt werden soll, dann muss auch ein Platz für Religion gegeben sein und somit auch für den Islam.
Muslime, die kompetente Kollegen sind und dieses Land und sein Volk mit ihrer Kraft, Motivation und Kreativität bereichern, gibt es zahlreiche in sämtlichen akademischen und handwerklichen Bereichen der Arbeitswelt. Die Abneigung vor allem gegenüber praktizierenden Muslimen basiert in den überwiegenden Fällen nicht auf persönlicher Erfahrung, sondern auf stupiden und veralteten stereotypischen Vorurteilen, die durch die Medien in die Gesellschaft getragen und befeuert werden.
Der Spielball liegt hier eindeutig bei unseren Politikern. Es hilft wenig, nur Probleme anzusprechen, wenn nicht fundamental und ernsthaft an ihnen gearbeitet wird. Sie müssen die Medien anleiten, nicht mehr für jeden negativen Beitrag über muslimische Kriminelle eine Frau mit Kopftuch als Leitbild einzusetzen. Sie müssen sich deutlich dagegen aussprechen, dass der Islam in den Nachrichten ausschließlich mit Terror oder Gewaltverbrechen in Verbindung gebracht wird. Ebenfalls muss allen verständigen Mitbürgern bewusst sein: 6 Millionen Muslime werden nicht einfach Deutschland verlassen und die praktizierenden unter ihnen werden nicht einfach ihre religiösen Überzeugungen über Bord werfen.
Die Welt ist globalisiert und Deutschland gehört dazu. Wir wollen mit „Made in Germany“ weiterhin überzeugen? Das passiert durch Qualität in der (Zusammen-)Arbeit, nicht durch polemische Hasskommentare in der Kommentarbox der Nachrichten.