Mehr als ein Jahr seit dem Mord an Hind Rajab

Erinnerung an ein ungelöstes Verbrechen

Am 29. Januar 2024 wurde die damals sechsjährige Hind Rajab auf der Flucht aus Gaza Stadt ermordet – beschossen von einem israelischen Panzer. Die Szenen ihres letzten Hilferufs gingen um die Welt: ein Kind gefangen in einem Auto unter Beschuss, weinend, flehend und voller Angst zwischen ihren bereits toten Verwandten. Ihre Stimme hallt bis heute als Zeugnis eines unfassbaren Verbrechens nach. Nicht jedoch in den Ohren der Politik. Das Verbrechen scheint vergessen.

Die Tragödie und ihre filmische Aufarbeitung

Was war geschehen? Die israelische Armee rief zur Evakuierung von Gaza Stadt auf. Alle Zivilisten müssen bestimmte Bereiche verlassen, die nun als aktive Kriegszonen gelten. Die Route von Hinds Familie war durch ein zusammengefallenes Gebäude blockiert. Der Onkel drehte das Auto, fuhr einige hundert Meter nach Norden. Dann geschah es. Das Auto wurde zusammen mit Hind und mehreren Familienmitgliedern von einem israelischen Panzer beschossen. Ihre Cousine Layan überlebte den ersten Einschlag, rief die Palestine Red Crescent Society, doch der Kontakt brach ab. Layan starb neben ihrer Cousine Hind. Hind blieb am anderen Ende der Leitung, allein – Stunden vergingen. Die Sanitäter klärten die Route und die Rettungsaktion mit dem israelischen Militär ab und bekommen grünes Licht. Als sie sich dem Auto von Hind nähern, schießt der Panzer erneut. Erst nach zwölf Tagen wurden Hind und die eingesetzten Sanitäter tot aufgefunden. Untersuchungen deuten auf eine gezielte Tötung hin: das Fahrzeug war von hunderten Kugeln durchlöchert, der Rettungswagen durch eine amerikanische Panzergranate zerstört. Ein mögliches Kriegsverbrechen, so unabhängige Experten des UN-Menschenrechtsbüros (OHCHR).

Als filmisches Gedenken entstand “The Voice of Hind Rajab” unter der Regie von Kaouther Ben Hania. Der Film lässt fast ausschließlich Hind’s letzten Anruf in einem PRCS-Callcenter und die Reaktionen der Rettungskräfte hören – ein dokumentarisches Drama ohne visuelle Darstellung der Gewalttat. Er feiert seine Premiere beim Festival von Venedig 2025 und wurde als Tunesiens Oscar-Beitrag eingereicht.

Initiativen gegen Straflosigkeit

In Brüssel hat die Hind Rajab Foundation Klage beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) eingereicht – gegen jene Militärangehörigen, die den Angriff befohlen haben sollen. Bisher bleiben geforderte Untersuchungen und Aufklärungen ohne Ergebnis. Ein grausames Zeichen gegen die Menschlichkeit und ein Freibrief für Israel.

Während Kunst und Zivilgesellschaft aktiv werden, bleibt die Regierung in Berlin – wie auch die internationale Politikgemeinschaft – bei milden Worten stehen. Im gleichen Atemzug, in dem Menschenrechtsorganisationen eine sich zuspitzende Katastrophe dokumentieren, verweigert sich die Politik konsequenter Maßnahmen. Die Opferstatistik ist klar: In Gaza werden im Schnitt 28 Kinder täglich getötet – seit Beginn des Krieges über 18.000.

Unaufgeklärtes Verbrechen: Ein Kriegsjahrestag ohne Gerechtigkeit

Mehr als ein Jahr nach dem Mord an Hind Rajab steht fest: Niemand wurde für ihr Todesopfer zur Verantwortung gezogen. Diese Untätigkeit steht in scharfem Kontrast zu globalen Slogans wie „Nie wieder“ oder „Waffenstillstand jetzt“. Deutschland könnte gerade an dieser Stelle politischen Druck aufbauen, etwa durch Handelsstopps oder Sanktionen – doch bislang bleibt es bei Appellen.

Hind Rajab ist mehr als nur ein weiteres Opfer: Sie ist ein Symbol für das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung – und zugleich ein Mahnmal, wie unzureichend Rechenschaft hergestellt wird. Solange führende Staaten schweigen oder sich mit unverbindlichen Formulierungen begnügen, bleibt der Eindruck: Ein Blankocheck für das Töten ist erlaubt – für Israel und solange es politisch opportun ist. Und damit setzt sich der Kreislauf fort.

Global Sumud Flotilla: Von Barcelona nach Gaza

Von Barcelonas Hafen aus ist am Sonntag die Global Sumud Flotilla in See gestochen. Es ist der bislang größte Versuch, die seit 18 Jahren bestehende Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Rund 5.000 Menschen aus über 30 Ländern unterstützen die Mission. An Bord der Schiffe befinden sich humanitäre Güter, medizinische Hilfsmittel und symbolische Delegationen, darunter auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Sie betonte vor der Abreise, dass es darum gehe, „das Schweigen zu brechen“ und den eingeschlossenen Menschen in Gaza Hoffnung und konkrete Hilfe zu bringen.

Die Initiative wird von Aktivisten als „globales Symbol des Widerstands“ beschrieben. Sie ist die größte Flottille, die jemals den Versuch unternahm, Israels Abriegelung von Gaza zu überwinden. Unter den Teilnehmenden finden sich Vertreter von Menschenrechtsgruppen, Ärzte, Geistliche und Politiker.

Die Realität in Gaza: Zerstörung, Hunger, Tod

Die Dringlichkeit dieser Mission wird durch die aktuelle Lage im Gazastreifen unterstrichen. Allein in den letzten 24 Stunden töteten israelische Angriffe mindestens 78 Menschen in verschiedenen Teilen des Gazastreifens. Gaza-Stadt werde Stück für Stück „zu Feldern aus Schutt“ reduziert. Scheinbar ein Unternehmen der israelischen Regierung, um den Menschen in Gaza weiter die Hoffnung zu rauben. Je wieder zurück in ihre Häuser und in ihr normales Leben zurückzukehren.

Noch dramatischer: Laut Ärzte ohne Grenzen wurde ein Wassertransporter beschossen, während Zivilisten in der Hitze Wasser sammelten. Mehrere Menschen starben, andere wurden verletzt. Ein Vertreter der Organisation sprach von einem „brutalen Schlag gegen Menschen, die um das nackte Überleben kämpfen“. Solche gezielten Angriffe auf lebensnotwendige Infrastruktur lassen den Begriff „humanitäre Krise“ längst unzureichend erscheinen. In den deutschen Medien findet sich zu diesem grausamen Vorfall kein Bericht und keine Empörung. Auch deutsche Politiker verurteilten diesen Angriff nicht. Die Masse an Angriffen und Gräueltaten scheint bereit ein Fakt zu sein, über den man nicht mehr berichten braucht und den man täglich einfach hinnimmt.

Opferzahlen der vergangenen Woche

Die Zahlen der letzten sieben Tage verdeutlichen die systematische Dimension der Gewalt:

  • Montag: 70 Tote
  • Dienstag: 61 Tote
  • Mittwoch: 144 Tote
  • Donnerstag: 69 Tote
  • Freitag: 82 Tote
  • Samstag: 120 Tote
  • Sonntag: 51 Tote

Diese erschütternden Zahlen wurden von unabhängigen Beobachtern dokumentiert und verbreitet. Sie machen deutlich: In Gaza sterben Tag für Tag dutzende Zivilisten, viele davon Kinder und Frauen, teils unter den Augen der Weltöffentlichkeit.

Politische Reaktionen – oder das Fehlen derselben

Während die Schiffe der Global Sumud Flotilla Kurs auf Gaza nehmen, bleibt die internationale Staatengemeinschaft bei reinen Appellen. Al Jazeera spricht von einem „Schweigen der Mächtigen“, das an Zynismus grenzt. Zwar äußern Regierungen Besorgnis, doch keine Sanktionen, kein politischer Druck folgen den Erklärungen. Auch die EU bleibt bei Mahnungen, während die Lage vor Ort täglich eskaliert.

Hier entsteht ein deutlicher Widerspruch: Während Aktivisten aus aller Welt ihre körperliche Unversehrtheit riskieren, um humanitäre Hilfe durchzubringen, beschränken sich Regierungen darauf, Israels Vorgehen rhetorisch „kritisch zu begleiten“, ohne Konsequenzen folgen zu lassen. Völkermord geht demnach einfach durch. Die internationale Politik versagt in ihrem Grundsatz der Gerechtigkeit und des Schutzes der Menschen.

Fazit: Hoffnung und Doppelmoral

Die Global Sumud Flotilla ist ein starkes Symbol für internationalen Widerstand gegen eine Blockade, die längst als kollektive Bestrafung und damit als Bruch des Völkerrechts gilt. Doch während die Schiffe aus Barcelona auslaufen, sterben in Gaza täglich Menschen – durch Bomben, Hunger oder gezielte Angriffe auf Hilfslieferungen.

Die Botschaft der Flottille lautet: Die Welt darf nicht länger zuschauen. Doch die Realität zeigt: Bisher tut sie genau das. Sie schauen zu, Live im Fernsehen und auf ihren Smartphones. Die westliche Politikgemeinschaft schweigt oder rechtfertigt – und überlässt es mutigen Aktivisten, den Versuch zu unternehmen, wenigstens einen Hoffnungsschimmer nach Gaza zu tragen.

Der Sport des grünen Mannes – Journalistenmord

“Mord ist ihr Hobby” könnte die israelische Armee als Werbeslogan nehmen. Während die gesamte Weltbevölkerung schockiert auf die grausamen Bilder aus Palästina und dem Libanon schaut, wirken manche Taten wie ein Sport des grünen Mannes. So zum Beispiel der Mord an Journalisten.

Mohammed Al-Tanani wurde am Mittwoch, den 09. Oktober 2024 in Jabaliya durch einen gezielten Raketenangriff der israelischen Armee getötet.1 Der Fotojournalist von Al-Aqsa TV war nicht das einzige Ziel an diesem Tag. Auch Reporter von Al-Jazeera wurden von israelischen Soldaten unter gezielt Feuer genommen. Alle angegriffenen Journalisten trugen Presse-Westen und -Helme. Ein Zufall? Hassan Hamad, ein 19-jähriger Journalist in Gaza wurde nach monatelangen Morddrohungen von Seiten israelischer Sicherheitskräfte am Sonntag, den 06. Oktober 2024 in seinem Haus getötet. Diese Geschichten sind keine Einzelfälle. Palästinensische Journalisten werden regelmäßig von Soldaten, Panzern oder Kampfflugzeugen ins Visier genommen und angegriffen.

Die israelische Regierung möchte keine Berichterstattung aus Gaza und dem Westjordanland. Auch nach 367 Tagen ist es keinem ausländischen Journalisten gestattet, Gaza zu betreten und von dort aus unabhängig zu berichten. Provisorisch errichteten Büros von ausländischen Nachrichtenagenturen wie TRT oder Al-Jazeera werden in Gaza durch Bomben angegriffen.

Diesen „Armeesport“ der IDF gibt es nicht erst seit Beginn des Gazakriegs. Am 11. Mai 2022 wurde die langjährige al-Jazeera Reporterin Shireen Abu Akleh kaltblütig während ihrer Berichterstattung in Jenin durch einen gezielten Kopfschuss der israelischen Armee getötet. Die Täter dieser Morde werden nie zur Rechenschaft gezogen. Die internationale Gemeinschaft verurteilt diese Morde zwar häufig, handelt daraufhin aber nicht. Weder werden Sanktionen verhängt, noch wird die israelische Regierung auf anderem Wege dazu gedrängt, diese menschenrechtsverletzenden Taten zu unterlassen. Sie lassen sie gewähren und der Krieg und das Morden geht weiter.

Seit Beginn des Krieges wurden 128 Journalisten von der israelischen Armee getötet, drei von ihnen im Libanon.2


  1. https://www.aa.com.tr/en/middle-east/1-more-journalist-killed-2-injured-as-israel-deliberately-targets-2-separate-media-crew-in-northern-gaza/3356922 ↩︎
  2. https://cpj.org/data/killed/all/?status=Killed&motiveConfirmed%5B%5D=Confirmed&type%5B%5D=Journalist&type%5B%5D=Media%20Worker&cc_fips%5B%5D=IS&cc_fips%5B%5D=LE&start_year=2023&end_year=2024&group_by=year ↩︎

Der Jahrhundertmord: 366 Tage nach Beginn

„Nach dem Mord an der Kindheit machten wir weiter mit dem Mord am Journalismus.“ So oder so ähnlich könnten sich in 20 Jahren die Berichte von Zeitzeugen und Schuldigen lesen, die ihre Vergangenheit bereuen. Bereut werden muss jedoch in Zukunft nichts, was heute verhindert werden kann.

Seit 366 Tagen sehen wir Bilder des Schreckens. Täglich werden Kinder durch abgeworfene Bomben getötet oder schwer verletzt. Viele von ihnen sind nicht älter als 5 Jahre alt. Israel rechtfertigt diesen „Schaden“ mit Selbstverteidigung. Der Westen verteidigt diese Art der Selbstverteidigung. An vorderster Front steht die Bundesrepublik Deutschland.

Kein Name, kein Bericht, kein Bild eines Kindes schafft es in deutsche Medien oder über die Lippen deutscher Politiker. Spricht man Politiker darauf an, haben sie die Bilder nicht gesehen. Vielleicht gibt es ein kurzes, trockenes Wort, das Bedauern vermitteln soll. Doch in Wahrheit werden diese arabischen Kinder ignoriert. Wären es israelische Kinder, wäre es die deutsche Staatsraison, ihnen mit aller Kraft zur Rettung zu eilen. Jedes Kinderleben müsste dann gerettet werden. Doch ein libanesisches Kind oder ein palästinensisches Kind ist gerade mal gut genug, es mit Skepsis auf die Verluststatistik der libanesischen und palästinensischen Autonomiebehörde zu setzen.

Man schrie kurz nach dem 7. Oktober 2023, Hamas-Kämpfer hätten Babies geköpft und sie in heiße Öfen gesteckt.1 Es gibt jedoch keine Bilder, keine Autopsieberichte und keine Augenzeugenberichte, die diese Behauptungen bestätigen. Dass unter anderem mit diesen Behauptungen die extreme Form der bis heute andauernden militärischen Selbstverteidigung gerechtfertigt wurde, stört heute in der deutschen Regierung niemanden mehr. Man rügt den Freund für seine offenkundigen Lügen nicht und entschuldigt sich nicht für die Verbreitung dieser Lügen. Man sitzt am Hebel der Macht und niemand darf das Fehlverhalten des besten Freundes anprangern. Wenn dies geschieht, ist man ein Antisemit.

Von der anderen Seite der Grenze erreichen uns Videos und Bilder von verletzten, toten und zerfetzten Kindern – täglich. Zum Mord an der fünfjährigen Hind Rajab2 gibt es bis heute keine offizielle Untersuchung. Heute Morgen erreicht uns das Video über Nahed Hajjaj. Er ist ein weiterer Junge, dessen Tod wahrscheinlich niemals von einem deutschen Politiker verurteilt wird. Asser und Ayssel Abu al-Qumsam3 wurden an ihrem vierten Lebenstag ermordet. Ihr Vater Mohammed wollte gerade ihre Geburten anmelden und ihre Urkunden abholen, als sie ermordet wurden. Mit ihnen starben in den letzten 366 Tagen mindestens weitere 115 Neugeborene. Die Namen der ermordeten Kinder nimmt kein Ende. Nicht, weil die Liste nach 15.000 Namen zu lang ist, sondern weil der Mord an Kindern auch heute noch weitergeht.4

Doch darüber berichtet der deutsche Journalismus nicht. Ihre Namen werden nicht gelistet. Auch die Namen der Journalisten, die in Gaza und im Libanon getötet wurden, nennt man in Deutschland nicht. Hassan Hamad5, ein 19-jähriger Journalist wurde nach monatelangen Morddrohungen wegen seiner Berichterstattung von Israel getötet. In Deutschland ein weiterer Journalist auf der Verluststatistik. Eine Person weniger, die die Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen des Freundes Deutschlands offenlegt. Wahrer Journalismus wurde mit diesem Krieg im Westen getötet.

Welches Fazit kann heute, ein Jahr nach Beginn des Krieges gezogen werden?

  • Hamas wurde weder zerstört, noch entmachtet – sie sind weiter handlungsfähig
  • Nicht alle israelischen Geiseln wurden gerettet – mehr Geiseln starben durch israelische Bomben als von den Streitkräften gerettet wurden
  • Die größte humanitäre Krise des 21. Jahrhunderts findet in diesen Tagen weiterhin statt
  • Die Kindheit einer ganzen Generation wird zerstört
  • Aufrichtiger und professioneller Journalismus in der westlichen Welt ist gestorben

  1. https://www.lemonde.fr/en/les-decodeurs/article/2024/04/03/40-beheaded-babies-the-itinerary-of-a-rumor-at-the-heart-of-the-information-battle-between-israel-and-hamas_6667274_8.html ↩︎
  2. https://www.theguardian.com/commentisfree/article/2024/aug/18/hind-rajab-israeli-state-atrocity ↩︎
  3. https://www.bbc.com/news/articles/c985y78d0g1o ↩︎
  4. https://interactive.aljazeera.com/aje/2024/israel-war-on-gaza-10000-children-killed/ ↩︎
  5. https://www.youtube.com/channel/UCR0fZh5SBxxMNYdg0VzRFkg/community?lb=UgkxbyagXX4sGadjxZ4jNfGrfdH_C4SvFrfh ↩︎

Netanjahu weist Waffenruhe mit Hisbollah zurück!

Der Krieg muss weitergehen! So das offizielle Statement von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen Ministern. Währenddessen unterstützt ihn die deutsche Presse mit bewusst irreführender Berichterstattung. Die Bundesregierung äußert sich wie immer nicht klar und bricht zusammen.

Die Nachrichten weltweit sind gefüllt mit der Hoffnung, dass es im Krieg zwischen Israel und der Hisbollah zu einem Waffenstillstand kommt. Nun erteilte das Büro von Netanjahu diesen Schlagzeilen eine deutliche Absage. Das Büro des israelischen Premierministers veröffentlichte folgende Nachricht: „Die Berichte über eine mögliche Waffenruhe sind falsch. Es handelt sich dabei um einen amerikanisch-französischen Vorschlag. Ebenfalls sind die Berichte falsch, dass angeordnet wurde, die Kämpfe im Norden zu reduzieren. Die Kämpfe im Libanon und in Gaza gehen weiter.“1 Damit wird deutlich, dass Israel nicht auf Frieden in der Region aus ist. Netanjahu möchte seine Drohungen von vor einigen Tagen wahr machen. Nach dem Angriff auf Beirut sagte er, dass dies erst der Anfang war und dass er den Nahen Osten verändern wird.2 Auch die Minister in seinem Kabinett sparen nicht an Kriegsretheorik. Smotrich und Katz sprechen von einem Kampf bis zum Sieg.

Nachdem sich deutsche Medien nicht verurteilend gegenüber dem Pieper-Terroranschlag Israels auf den Libanon geäußert hatten, geht die Irreführung weiter. „Raketenterror auf Tel-Aviv – Luftangriffe auf Hisbollah-Ziele“ schreibt der Spiegel.3 Dass die Hisbollah in den vergangenen Tagen zu über 90 Prozent ausschließlich militärische Ziele attackiert wird nicht erwähnt. Israel hingegen greift willkürlich libanesische Dörfer und Städte im Süden und Osten des Landes an. Allein in den vergangenen 24 Stunden wurden 72 Menschen durch Bomben der israelischen Armee getötet. Innerhalb einer Woche steigt die Zahl der ermordeten damit auf 620.4 Wie viele vermisst und verschüttet sind, ist unklar.

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi erklärte, dass die Armee eine Bodenoffensive vorbereitet.5 Weltweit raten Experten jedoch von einer Bodenoffensive Israels im Libanon gegen die Hisbollah ab. Sie würde in einer Katastrophe für die israelischen Einheiten enden, da die Hisbollah auf einen Verteidigungskrieg vorbereitet und ausgerichtet sei. Die israelische Führung scheint da anderer Meinung zu sein. Israels Krieg im Nahen Osten wird daher intensiver. Waffenlieferung aus dem Westen werden trotz aufweckender Aufrufe von Seiten des Generalsekretärs Guterres6, von Seiten des Libanon, Irans und anderen Nationen während der UN-Sicherheitskonferenz nicht gestoppt. Die deutsche Regierung spricht sich selbstverständlich für einen Waffenstillstand aus, die hohen Opfer durch israelische Bomben und Angriffe auf die Zivilbevölkerung verurteilt sie hingegen nicht.


  1. https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_100496844/nahost-krieg-netanjahu-weist-berichte-ueber-waffenruhe-mit-hisbollah-zurueck.html ↩︎
  2. https://www.middleeastmonitor.com/20240921-netanyahu-on-israels-beirut-raid-we-will-work-to-change-middle-east/ ↩︎
  3. https://www.spiegel.de/ausland/libanon-hisbollah-feuert-langstreckenrakete-auf-israel-ab-raketenterror-auf-tel-aviv-a-438a82fd-966f-48c6-81ea-fc1dfb75de20 ↩︎
  4. https://www.aljazeera.com/news/liveblog/2024/9/26/israel-attacks-lebanon-live-72-killed-in-latest-wave-of-israeli-attacks ↩︎
  5. https://www.spiegel.de/politik/nahostkonflikt-israel-will-angriffe-an-der-grenze-zum-libanon-ausweiten-a-0017359b-2f8e-4fc4-beb9-80d34ee4ee95 ↩︎
  6. https://news.un.org/en/story/2024/09/1154896 ↩︎

Medienkrieg gegen die Blaue Moschee

Am Morgen des 24.07.2024 wurde die Blaue Moschee an der Alster in Hamburg von Polizisten gestürmt und vom Bundesministerium des Innern geschlossen und beschlagnahmt. Seit diesem Tag nutzen Medien diese Moschee als Symbol für extremistischen Islamismus. Die deutschen Medien verdrehen die Wahrheit und geben dem deutschen Volk den Eindruck, die schiitische Moschee in Hamburg stehe im Zusammenhang mit dem Islamischen Staat.

Die Vorwürfe des Innenministeriums gegenüber dem Islamischen Zentrum Hamburg sind keine anderen als die, die der Verfassungsschutz seit Jahren gegen das Zentrum anführt. Vor Gericht konnte der Verfassungsschutz damit bisher keinen Erfolg erzielen. Die Beweise reichten nicht für ein Verbot aus. Über die ausgebliebene Beweislast setzte sich Frau Faesers Ministerium hinweg und sprach ein Vereinsverbot aus. Warum der juristische Weg dem Ministerium nicht ausreichte, wurde nicht gesagt. Seit der Schließung der blauen Moschee versammeln sich wöchentlich gläubige Muslime vor der Moschee. Donnerstags und freitags halten sie friedlich ihre Gebete ab, um zu zeigen, dass in dieser Moschee nichts gesetzeswidriges geschah und dass sie ihre Gebetsräume für ihre Gottesdienste brauchen.

Berichte über Islamismus in Deutschland sind keine Seltenheit. Reportagen deutscher Anhänger im Al-Qaida Netzwerk und Berichte über deutsche Jihadisten im sogenannten Islamischen Staats haben die deutsche Medienlandschaft nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geprägt. Seit der Schließung der Imam Ali Moschee, wie die blaue Moschee auch genannt wird, und den Protesten von Kalifatsanhängern in Hamburg haben die Medien scheinbar nun neue Hauptprotagonisten für ihre Anti-Islampropaganda gefunden. Interessant hierbei ist, dass die blaue Moschee immer wieder mit dem salafistischen Extremismus in Verbindung gebracht wird.

Am 14. August veröffentlichen die ZDFheute Nachrichten einen Bericht darüber, wie sich junge Muslime über TikTok radikalisieren. Zu Beginn wird über „Muslim Interaktiv“ gesprochen.1 Sie sollen der verbotenen Hizb ut-Tahrir nahestehen. Im Bericht wird ihnen bei Umsetzung ihres Kalifattraums Gewalttätigkeit zugesprochen. Dann wird zum Thema IS und Terrorismus geschwenkt. Die Radikalisierung geschieht über das Internet. Daraufhin wird das Islamische Zentrum um die blaue Moschee zu Thema des Berichts. Hier ginge es nicht um Terrorismus, aber auch dieses Zentrum wirbt für Nachwuchs im Internet. Hier wird keine drohende Radikalisierung genannt, dennoch wird das schiitische Zentrum mit scheinbar und offensichtlich gewaltbereiten Gruppen durch den Bericht in Verbindung gebracht. Ein Versehen?

Am 06.09.2024 findet man auf dem Social Media Account des BR24 ein Kurzvideo zum Thema Salafismus (siehe Foto). „Das Bundesamt für Verfassungsschutz zählt 2024 rund 10.500 Anhänger des Salafismus in Deutschland.“ Das Video hinter dem Schriftzug zeigt die blaue Moschee und eines der wöchentlichen Freitagsgebete vor dem Gebäude. Von Salafisten, die dem Sunnitentum zugeschrieben werden, in diesem Video keine Spur. Doch die blaue Moschee wird in den Fokus genommen. Ein Versehen? Auf die Kritik, dass dies irreführende Berichterstattung ist, wird das Video nach einer Entschuldigung runtergenommen. Ein solcher Fehler würde in Zukunft nicht mehr vorkommen. Intern wurde darüber gesprochen.

An diesem Montag, dem 09.09.2024, dann der nächste Bericht. Diesmal erscheint im Fokus-Online ein Gastbeitrag von Ralph D. Thiele zu islamistischer Gewalt.2 Er berichtet über die Terrorangriffe in Solingen und München und über die Untergrabung der Demokratie durch Islamisten. Titelbild ist die schiitische blaue Moschee in Hamburg. Im Artikel findet sich kein Bezug zum Islamischen Zentrum Hamburg. Ein Versehen?

Das Schiitentum hat historisch und religiös nichts mit dem Salafismus, der dem Sunnitentum zugesprochenen wird, zu tun. Der islamische Staat hat neben der kurdischen Bevölkerung in Syrien und im Irak vor allem Menschen mit schiitischem Glauben verfolgt und ermordet. Für den IS sind Schiiten Ungläubige. Auch viele Salafisten sehen Schiiten als Abtrünnige. Ist deutschen Journalisten nicht mehr zuzutrauen, dass sie gutrecherchierte Arbeit leisten? Oder kann man ihnen Absicht unterstellen? Soll die blaue Moschee in der deutschen Bevölkerung mit Salafismus, Islamischem Staat und Terror in Verbindung gebracht werden, sodass die Bevölkerung bei einer möglich Widereröffnung der Räumlichkeiten sich darüber empört?

Eines kann auf jeden Fall gesagt werden: Die Berichterstattung der deutschen Leitmedien ist auf keinen Fall ordentliche Recherche.


  1. https://www.youtube.com/watch?v=crxCk75_n88 ↩︎
  2. https://www.focus.de/politik/meinung/gastbeitrag-von-ralph-thiele-terroraktionen-haben-einen-kontext_id_260294792.html ↩︎