Israel führt seit elf Monaten einen vernichtenden Krieg in Gaza, der bisher über 40.000 Palästinensern das Leben kostete. Nun widmet sich Israel scheinbar dem Westjordanland. Ärzte ohne Grenzen berichtet, dass die Situation seit dem Einfall der israelischen Armee in Jenin erschreckend ist.
Am 28. August 2024 fiel die israelische Armee in Jenin ein. Die erste Offensive kostete mindestens 20 Palästinensern das Leben. Wie viele Verletzte es gab, ist unbekannt, denn die Armee ließ lange Zeit keine Ärzte ins Gebiet. Die NGO Ärzte ohne Grenzen schreibt, dass die Armee nicht nur den Zugang zu Krankenhäusern blockierte, sondern auch Krankenwagen attackierte. Zudem wurden Ärzte der Organisation von Soldaten geschlagen und verhört.1 Die Offensiven im Westjordanland nehmen zu, werden intensiver, brutaler und länger. Eine Aussicht auf Schlichtung oder Besserung gibt es daher nicht.
Währenddessen äußern sich deutsche Politiker ausschließlich zu den sechs toten Geiseln, die im Gazastreifen gefunden wurden. Ohne Zweifel ist der Tod von Zivilisten in Geiselhaft eine Tragödie2, dennoch widmete Bundeskanzler Olaf Scholz den vielen Palästinensern, die in israelischer Administrativhaft getötet oder vergewaltigt wurden keinen internationalen Beitrag. Es wird deutlich: In der deutschen Politik werden Menschenleben verschieden bewertet. Das Leben eines Israelis ist mehr Wert als das eines Palästinensers. Israels Sicherheit ist wichtiger als die Sicherheit der Palästinenser. Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, von Siedlern angegriffene Palästinenser nicht. Was sollen die Palästinenser tun? Wo sollen sie hin?
Der ehemalige UN-Mitarbeiter Craig Mokhiber schrieb in seinem Brief zur Amtsniederlegung in der UN: „Das Mantra der “Zwei-Staaten-Lösung” ist auf den Fluren der UNO zu einem offenen Witz geworden, sowohl wegen seiner faktischen Unmöglichkeit als auch wegen seines völligen Versagens bei der Berücksichtigung der unveräußerlichen Menschenrechte des palästinensischen Volkes.“3 Seit fast 60 Jahren ist man einer Zwei-Staaten-Lösung nicht nähergekommen, sondern hat sich eher davon entfernt. Im Moment scheint die Umsetzung eines Israels vom Jordan bis zum Meer das umzusetzende und greifbare Ziel. Der israelische Energieminister Eli Cohen machte dies im Mai 2024 deutlich, als er auf X schrieb: „Vom Fluss bis zum Meer wird es nur einen Staat geben: Der Staat Israel.“4
Es wirkt, als würde dieser Plan nun umgesetzt werden. Die Frage ist: Schauen die Politiker der Welt weiterhin nur zu? Geben sie scheinheilig vor, nach einer Lösung des Konflikts zu suchen, obwohl sie in Wahrheit die Vergrößerung des Staates Israel befürworten? Oder wird der Krieg bald ein Ende haben und die Palästinenser einen eigenen souveränen Staat? Für viele Menschen auf beiden Seiten sind die Antworten bereits heute klar.