Der russische Präsident Putin inszeniert sich nicht erst seit dem direkten Eingreifen russischer Truppen in den seit 2014 andauernden Krieg in der Ukraine immer wieder als Freud und Beschützer der Muslime, sondern bezeichnete Russland auch als muslimisches Land. Was ist davon zu halten?
Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass er sich selbst wohl als gläubigen orthodoxen Christen sieht – das russische Fernsehen zeigte Putin u.a. betend bei der letzten Ostermesse in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau.
Bei seinem Umgang mit dem Islam spielen sicherlich strategisch-taktische Überlegungen die Hauptrolle. Innenpolitisch steht für den russischen Präsidenten die Stabilität und der Fortbestand der Russischen Föderation an erster Stelle.
Lehren aus der Geschichte
Er kennt die Geschichte, wie US-Strategen wie Zbigniew Brzezinski den Islam in den 1980er und Anfang der 1990er Jahre zunächst gegen die Sowjetunion und anschließend gegen die Russische Föderation politisierten und benutzen wollten, um diese Staaten zu zerschlagen. Die Niederlage in Afghanistan trug sicherlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion bei. Peter Scholl-Latour berichtete, wie die US-Saudi-Connection danach weiterging und wahhabitische Prediger und Kämpfer Anfang der 1990er Jahre nach Tatarstan und Tschetschenien einsickerten. Ziel war es offenbar, die Russische Föderation ebenso zu zerschlagen wie vorher die UdSSR.
Putin weiß, dass Russland aufgrund seiner Geschichte und mit 15% Muslimen keine antiislamische Politik betreiben kann. Daher hat er auch immer wieder betont, dass es ein Staat, wegen des inneren Friedens, nicht tolerieren kann, dass eine Religion verächtlich gemacht wird.
Gesetz gegen Beleidigung religiöser Gefühle
Im Hinblick auf die von westlichen Zeitschriften veröffentlichten „Mohammed-Karikaturen“ äußerte er sich bspw. wie folgt: “Wir sehen verschiedene Provokateure, die unter dem Deckmantel der Redefreiheit die Gefühle religiöser Menschen beleidigen… Ein Gesetz nach russischem Vorbild, dass die Beleidigung religiöser Gefühle verbietet, würde Abhilfe schaffen.“ Eine Zeitschrift wie Charlie Hebdo, die so etwas abdrucke, dürfe es in Russland nicht legal geben, machte auch Putins Sprecher Dimitri Peskow deutlich.
Während es innenpolitisch um die Bewahrung der inneren Stabilität geht, ist man außenpolitisch auf der Suche nach neuen Partnern und Verbündeten, die man v.a. auch in der islamischen Welt zu finden glaubt. Den Westen hat man als Partner in jeder Hinsicht für unabsehbare Zeit ausgeschlossen, die Blicke richten sich – außer nach China und Indien – insbesondere in Richtung Iran, Türkei und Indonesien.
Die Sympathiewerte für Putin sind besonders in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land, besonders hoch, wie die ARD vor wenigen Tagen beklagte, was v.a. auch am islamfreundlichen Image Russlands liegt: “Unter der Führung von Putin ist der Islam ein Teil Russlands geworden. Die nationale Identität Russlands umfasst nun auch den Islam”, erklärt Reynaldo de Archellie, University of Indonesia. Die Kooperation zwischen Russland und Indonesien intensiviert man jedenfalls auf allen Gebieten.
Kehrtwende Erdogans
Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit dem Iran und der Türkei. Die überraschende Kehrtwende Erdogans in seiner Haltung gegenüber der Regierung Assad in den letzten Tagen, die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen der Türkei und der offiziellen syrischen Regierung, könnte das größte bestehende Problem zwischen der Türkei und Russland ausräumen und die Tore für eine umfassende Kooperation der beiden Staaten zu gegenseitigem Nutzen weit öffnen.
Letztlich ist die ganze Entwicklung der Beziehungen zwischen der islamischen Welt und Russland das logische Resultat der als islamfeindlich wahrgenommenen Politik des Westens. Putin kann hier mit seiner Politik leicht punkten. Ist dies z.B. verwunderlich angesichts der Tatsache, dass der Westen seit Jahrzehnten die israelische Besatzung und Annexion palästinensischen Territoriums durch die israelische Regierung ignoriert und jeglichen Widerstand dagegen als Terrorismus verunglimpft?
Bild: Itar-TASS