Antisemitismus, documenta fifteen und Charlie Hebdo

Antisemitismus, documenta fifteen und Charlie Hebdo

Documenta fifteen ist eine der wichtigsten Kunstausstellungen, dieses Mal unter dem Motto Perspektivwechsel. Warum kam es aber nicht zum Perspektivwechsel? Und woher kommt der Antisemitismus-Vorwurf?

Gleich zu Beginn eröffnete Bundespräsident Frank Walter Steinmeier am 18. Juni die Ausstellung. In seiner Ansprache ging es kaum um die Ausstellung, ihre 1500 Aussteller oder die hunderten von Quadratmetern Kunst und ihre Besonderheiten an sich, sondern um die Anerkennung des Staates Israels und die damit einhergehende Verurteilung des deutschen Bundespräsidenten von indonesischen Ausstellern, ohne mit Ihnen ins Gespräch gekommen zu sein. 

Warum? Die Kunstausstellung lag in den Händen der indonesischen Organisationsleitung, ein mehrheitlich muslimisches Land, weshalb auch palästinensische Aussteller eingeladen waren. In den Medien waren es natürlich nicht nur irgendwelche Palästinenser. Es waren nämlich gefährliche Palästineser, die der BDS-Bewegung zugehörig sind. Eine Bewegung, die für die Freiheit von Palästinensern aufsteht und das war schon schlimm genug.

“Die moderne Judensau”

Alles drehte sich bei Eröffnung nur noch um das Bild vom Künstlerkollektiv Taring Padi, dass bereits 2002 in Australien unter den Titeln „Die Gerechtigkeit des Volkes“ und “Die Expansion der multikulturellen staatlichen Expansion” ausgestellt wurde. Auf diesem riesengroßen Bild sind zwei Elemente scheinbar antisemitisch. Einmal eine soldatenähnliche Figur mit einer Schweinsnase, einem roten Halstuch mit Israelflagge und einem Helm auf dem Mossad, der israelische Geheimdienst drauf steht, und zum anderen ein Mann mit unauffälligen Seitenlocken, Reißzähnen, blutroten Augen und einem Hut mit dem Schutzstaffel Zeichen SS. Das Bild wurde nach Kritik, in schwarzen Umhängen verhüllt und anschließend abgebaut. Rücktrittsrufe von allen möglichen Seiten an die Organisatoren werden immer lauter.

Die Tagesordnung des Perspektivwechsels oder Austausch fand jedoch nicht statt. Stattdessen schrieb das Künsterlkollektiv eine Erklärung zum Bild, um ihren Standpunkt klar zu machen:

„Das Banner People’s Justice inszeniert diese inneren und äußeren Machtverhältnisse in einer bildhaften Szene und versucht, die komplexen historischen Umstände durch eine Bildsprache einzufangen, die ebenso verstörend ist wie die Realität der Gewalt selbst. Es ist wahr, dass die Form der Darstellung aus Enttäuschung, Frustration und Wut politisierter Kunststudent*innen stammt, die kurz zuvor viele ihrer Freund*innen in den Straßenkämpfen von 1998 verloren hatten – einem Aufstand, der schließlich zum Rücktritt des Diktators führte.

Die von uns verwendete Bildsprache ist jedoch nie aus Hass gegen eine bestimmte ethnische oder religiöse Gruppe entstanden, sondern als Kritik an Militarismus und staatlicher Gewalt gedacht. Wir bedauern, dass wir eine mögliche Beteiligung der Regierung des Staates Israel so völlig unangemessen dargestellt haben – und entschuldigen uns aufrichtig dafür. Antisemitismus hat weder in unseren Gefühlen noch in unseren Gedanken einen Platz.“

„Wir hoffen, dass dieses Denkmal der Ausgangspunkt für einen neuen Dialog sein wird.“

Dialog?

Es hätte einen Dialog geben können, wenn man in Deutschland frei im Gedanken wäre. Wenn man in Deutschland über die intimsten Details einer sexuellen Orientierung reden muss, gibt es keinen Raum für Unterdrückung und Folter gegenüber Menschen. Sie wollen es nicht sehen, sie verdecken und verstecken es, nur um nicht darüber reden zu können, es ist die Angst, die einen lähmt.

Volker Beck, der nach seiner Drogen-Affäre 2016 nun zum Präsidenten der deutsch-israelischen Gesellschaft gewählt wurde, betitelte das Bild als „moderne Judensau“. Die Judensau hängt seit dem 13. Jahrhundert an einer Wittenberg Kirche und darf laut neuestem Beschluss des Bundesgerichtshofs dort hängen bleiben. Die Gemeinde hat sich ausreichend vom Bild distanziert und die Judensau wird nun zu einem Mahnmal umfunktioniert.

Charlie-Hebdo und der Perspektivwechsel

Zuletzt lenken wir den Perspektivwechsel auf Charlie-Hebdo und die Muhammad Karikaturen. Steinmeier sagte am Freitag

„Wer als Künstlerin oder Künstler in das Forum der Politik eintritt, muss sich nicht nur der ästhetischen, sondern auch der politischen Debatte und Kritik stellen. Und dort gibt es Grenzen!”

Und wo liegen diese Grenzen?

„Kritik an israelischer Politik ist erlaubt. Doch wo Kritik an Israel umschlägt in die Infragestellung seiner Existenz, ist die Grenze überschritten.” 

Inwiefern in diesem Bild die Existenz Israels in Frage gestellt wurde, wird nicht deutlich.

„Antisemitismus und Rassismus sind solche Grenzen.”

Schade, dass die beleidigenden und diffamierenden Bilder des höchsten Propheten der Muslime nicht in dieses Raster fällt. Das ist nämlich Kunst. Doch wie sagte Steinmeier so schön

„Aus Müll entsteht Kunst.“