Streitthema: Der Islam gehört (nicht) zu Deutschland. Die Bundesrepublik hat eine über 60 Jahre lange muslimische Zuwanderungsgeschichte, über 60 Jahre lang muslimisches Leben in seinen Straßen. Dennoch müssen deutsche Muslime um Akzeptanz und Zugehörigkeit und gegen Propaganda und Klischees kämpfen.
Als im Jahr 2010 der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) sagte „Der Islam gehört zu Deutschland“, löste das in den Medien und in der Bevölkerung eine große Diskussion aus.1 Ist diese „fremde“ Religion heute wirklich Teil unserer Bundesrepublik? Weiten Teilen der Bevölkerung schien das fremd zu sein. Damit konnten sie sich und ihre Heimat nicht identifizieren. Über Jahrzehnte koexistierte der Islam stillschweigend in seinen Vereinshäusern und Hinterhofmoscheen in den Städten der Bundesrepublik. Doch in den vergangenen 20 Jahren tritt er immer häufiger in die Öffentlichkeit. Vor allem in den Medien macht die Religion immer häufiger Negativschlagzeilen.
Und an dieser Stelle muss man stoppen. Der Islam ist eine Religion. Eine Religion drängt sich nicht aktiv in das Leben eines Menschen. Es sind jedoch Menschen, die ein Verständnis des Islams leben und ihn dadurch in ihre Gesellschaft tragen. In den vergangenen 20 Jahren wird der Islam sehr stark und fast ausschließlich mit Extremismus und islamistischem Terrorismus in Verbindung gebracht. Auch der konservative Salafismus wird immer häufiger thematisiert, als sei er die einzige und am meisten verbreitete islamische Strömung. Die Menschen in der Bundesrepublik sind besorgt. Das soll ein Teil von ihnen sein? Das möchte man von sich weisen und spätestens mit Aufkommen der PEGIDA-Bewegung war klar: Nicht alle deutschen Bürger sehen den Islam als einen Teil von Deutschland. Die Medien spielen mit, die Politiker teilweise auch. Vor allem in den öffentlich-rechtlichen und in den Springer-Medien werden immer häufiger Straftaten von Muslimen besonders kritisch hervorgehoben. Negative Schlagzeilen zeigen fast ausschließlich Frauen mit Kopftuch. Die Zuwanderungswelle 2015 trug zudem einen erheblichen Teil dazu bei, dass die Kriminalität in einigen Städten stieg. Entfremdung und Feindschaft innerhalb der Gesellschaft steigen.
Manchmal taucht ein Bericht in den Medien auf, der positiv über einen vollintegrierten und daher erfolgreichen Flüchtling spricht. In solchen Berichten gerät der Islam in den Hintergrund. Möglicherweise hat der Islam im Leben der genannten Person auch keinen besonderen Einfluss. Sann kommt jedoch folgende Frage auf: Warum wird der Islam mit der Kriminalität und dem absolut falschen Verhalten der Zuwanderer in Verbindung gebracht, die sich nicht an die Gesetze halten? Auch im Leben derer, die in Deutschland teils schwere Straftaten begehen, scheint der Islam keine besondere Rolle zu spielen. Dennoch bringt man in diesen Fällen häufig den Islam mit ihnen in Verbindung, weniger zum Beispiel die gesellschaftlichen Probleme und Gegebenheiten ihrer Herkunftsländer. Bei extremistischem Terrorismus oder Leuten, die als Schariapolizei in deutschen Städten patrouillieren ist klar, dass sie sich auf die Religion beziehen, aber gilt das für die Religion selbst und die Mehrzahl der Muslime?
Nach über 60 Jahren muslimischen Lebens in Deutschland muss man sich einiges vor Augen halten. Der Name Muhammad ist in einigen Städten jährlich der am häufigsten vergebene Jungenname. In Großstädten findet seit Jahrzehnten Schulklassen, in denen Kinder muslimischen und nichtmuslimischen Glaubens lernen und gemeinsam erfolgreich sind. Viele in Deutschland aufgewachsene Muslime haben Unternehmen und Firmen aufgebaut, sind erfolgreiche Ärzte in Kliniken oder ihren eigenen Praxen, arbeiten bei der Polizei, in traditionellen Unternehmen und Fabriken und möchten ihren Teil zu der deutschen Gesellschaft beitragen. Viele, nicht alle von ihnen praktizieren den Islam durch ihre täglichen Gebete, den Gang zum Freitagsgebet, ihren Hijab und andere religiöse Riten. Sie leben in dieser Gesellschaft. Viele von ihnen sind in diesem Land geboren und haben nur die deutsche Staatsangehörigkeit und sie möchten weiterhin Teil dieser Gesellschaft sein. Damit gehört der Islam automatisch zu Deutschland.