Am dritten Tag nach den verheerenden Erdbeben der Stärke 7,7, die die Grenzregion der Türkei und Syrien getroffen haben, überschritt die Zahl der Todesopfer 12.800 Menschen*. Das Beben, das als das tödlichste seit fast 25 Jahren gilt, zählt zu den stärksten seit es Aufzeichnungen gibt in der Region. Weitere Todesopfer werden voraussichtlich während der laufenden Rettungs- und Bergungsbemühungen hinzukommen.

Bis zu 23 Mio. direkt von den Erdbeben betroffen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass bis zu 23 Millionen Menschen direkt von dem Erdbeben betroffen sind, darunter 1,4 Millionen Kinder. Laut einer Schätzung der WHO könnte die Zahl der Todesopfer auf bis zu 30.000 steigen. Direkt betroffen sind 10 Provinzen der Türkei, in denen jetzt mehr als 11 Tausend Gebäude zerstört sind und der Nordwesten Syriens. Zehntausende Menschen in beiden Ländern erlitten Verwundungen und Hunderttausende sind jetzt obdachlos und kämpfen darum, bei den eisigen Wintertemperaturen zu überleben.

Die Zahl der Todesopfer hätte eingedämmt werden können

Naturkatastrophen sind unvermeidbar, aber Dank des heutigen wissenschaftlichen Fortschritts, nicht ganz unberechenbar. Und so warnten Wissenschaftler und Ingenieure schon seit längerem, dass ein großes Erdbeben in der Region unvermeidlich sei und dass der Wohnungsbestand und die öffentliche Infrastruktur dieser Gefahr gemäß angepasst und umgebaut werden müssten, um die Menschenleben möglichst zu schützen, die in der Region leben. Leider blieben jegliche Warnungen und Anträge in der Türkei unbeachtet und so ist festzuhalten, dass die massive Zahl der Todesopfer und die große Zerstörung zumindest eingedämmt hätte werden können, würde der Regierung das Geld nicht mehr am Herzen gelegen haben, als das Leben und Wohlergehen der Bevölkerung.

Auch bei den Rettungs- und Bergungsbemühungen waren und sind die Betroffenen teilweise auf sich allein gestellt gewesen und selbst zwei Tage nach dem Beben hatten viele Menschen keinerlei Unterstützung oder Hilfen von öffentlicher Stelle erhalten. Familienmitglieder waren und sind bei der Suche nach ihren Liebsten auf sich selbst gestellt. Möglicherweise ändert sich diese Misere in den kommenden Tagen, da – zumindest der Türkei – Hilfe aus vielen Ländern zugestanden.

Geopolitik über Menschenleben

In Anbetracht dessen, dass das Leid keinen Unterschied zwischen den Menschen macht, stellt uns dieses Beben erneut beispielhaft dar, dass es insbesondere den imperialistischen Westmächten nicht um humanitäre Hilfe geht, sondern weiterhin um geopolitische Interessen in der Region. Denn die Hilfe, die der Türkei zugesagt wurde, bleibt für Syrien vom Westen gänzlich aus. Schlimmer noch: Trotz der verheerenden Lage, wird an den Sanktionen gegen Syrien festgehalten. Dies wird die Krise nur noch weiter verschärfen und weiteren Tausenden Menschen das Leben kosten.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, machte deutlich, dass die Biden-Administration die Katastrophe als eine Gelegenheit sah, ihre Regimewechseloperation wiederzubeleben und mehr Geld und Hilfe an ihre Stellvertreterkräfte zu leiten. „Es wäre ziemlich ironisch – wenn nicht sogar kontraproduktiv -, wenn wir uns an eine Regierung wenden würden, die ihr Volk im Laufe von einem Dutzend Jahren brutalisiert hat“, sagte Price am Montag gegenüber Reportern. Er verwies auf „humanitäre Partner vor Ort“, die Hilfe leisten könnten.

Seit 2011, beginnend unter der Obama-Administration, haben die USA einen Bürgerkrieg in Syrien befeuert, der darauf abzielt, die Regierung von Präsident Bashar al-Assad zu stürzen. Durch den Krieg wurden 13 Millionen Syrer vertrieben, darunter 6,7 Millionen Flüchtlinge, von denen viele in rudimentären Lagern und unzureichendem Wohnraum auf beiden Seiten der Grenze in der erdbebenbefallenen Region leben. Mehr als eine halbe Million Syrer wurden in dem mehr als zehnjährigen Krieg getötet. Sie waren und sind unbedeutend im Bestreben der USA und ihrer Verbündeten ihre Hegemonie in der Region zu etablieren und die Ressourcen des Landes einzunehmen – so wie sie es in vielen anderen Ländern des sogenannten Nahen Ostens bereits tun.

Ein Geben und Nehmen

In Hinblick auf die Türkei hat die US-Regierung ihre Hilfe zugesagt, ebenso wie Deutschland und andere Länder, darunter eine israelische Hilfsflotte. Man kann jedoch sicher sein, dass man auch diese Hilfestellung als Gelegenheit nutzt, um ihre geopolitischen Interessen gegen Ankara geltend zu machen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die ablehnende Haltung der Türkei bzgl. des NATO-Beitritts von Finnland und Schweden. Der Standpunkt der Türkei in Bezug auf die israelischen Aggressionen gegenüber den Palästinensern. Und auch die wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu Russland, wodurch Erdoğan versuchte, im Ukrainekrieg zu vermitteln, um die Eskalation, die vom Westen vorangetrieben wird, nicht zu unterstützen.

Letztendlich enthüllt die Erdbebenkatastrophe erneut die Heuchelei des amerikanischen Imperialismus und verdeutlicht, dass ihr Eingreifen in die Souveränität anderer Staaten nicht dem Anspruch entspringt, Menschenrechte oder demokratische Werte zu verteidigen.

Die Menschen brauchen Soforthilfe

Die US- und EU-Sanktionen gegen Syrien müssen sofort aufgehoben werden und die Regimewechseloperationen müssen beendet werden. Die Menschen benötigen Soforthilfe und es muss sichergestellt sein, dass Hilfsgüter die Betroffenen erreichen. Nachhaltig müssen die besagten Erdbebenregionen von den Regierungen aufgearbeitet und gestärkt werden, um künftig eine solche humanitäre Katastrophe zu verhindern. Ein Beben wird seit langem u.a. für die Millionen-Metropole Istanbul mit verheerenden Folgen vorausgesagt. Es bleibt zu hoffen, dass man aus diesem Erdbeben Lehren zieht und nun Vorkehrungen für die Zukunft trifft.

Mögen die Verstorbenen ihren Frieden gefunden haben und den betroffenen Menschen alsbald Abhilfe zukommen.

*Zeitpunkt des Verfassens: 08.02.2023, Aktualisierung am 09.02.2023 um 11:27