Die Bundesregierung will es nicht wahrhaben: Wir erleben z.Zt. das letzte Aufbäumen einer unipolaren Epoche. Unter einer unipolaren (auch: monopolaren) Weltordnung versteht man eine Weltordnung, bei der ein Staat alle anderen dominiert.
Nach dem dramatischen Zusammenbruch des Warschauer Pakts und der Auflösung der Sowjetunion 1989-1991 waren die USA – militärisch und ökonomisch – die alleinige und unangefochtene Weltmacht. Der damalige US-Präsident George Bush (Sr.) verkündete 1990 eine neue Weltordnung unter Führung der USA. Bereits mit dem Angriff einer von den USA geführten Militärallianz auf den Irak am 16.1.1991 demonstrierte man die Bedeutungslosigkeit der bisherigen Supermacht Sowjetunion. Die Demütigungen für den Nachfolgestaat Russland sollten anhalten. Als sich der damalige russ. Außenminister Primakow 1999 im Flugzeug auf dem Weg zu einem Staatsbesuch in Jugoslawien befand, informierte ihn die NATOer, dass die NATO in Kürze mit Luftangriffen auf Belgrad startet. Der russ. Außenminister musste umkehren. Bei einem dieser Bombenangriffe traf man u.a. die chinesische Botschaft in Belgrad. Heute weiß man, dass dies kein Versehen gewesen ist. Die USA machten deutlich, dass sie sich an keine internationalen Regeln mehr halten würden, über die UNO in ihrer Machtlosigkeit wurde (z.B. 2003) gespottet. Das Project of a New American Century (PNAC) stellte klar, dass alle Länder, die sich der neuen Weltordnung widersetzten, mit Krieg überzogen werden würden.
Mit Putin die Wende?
Nach dem Sturz Gaddafis in Libyen, bei dem die USA eine UNO-Resolution missbrauchten (Flugverbotszone zum angeblichen Schutz von Zivilisten, danach bombardierte nur die NATO einseitig Regierungstruppen), machte Russland (das in der UNO der Flugverbotszone zugestimmt hatte) deutlich, dass es getäuscht worden war und dass dies das letzte Mal gewesen sei. In Russland hatte Putin den Staat reorganisiert und den Zerfall verhindert.
Als die USA den Versuch starteten in Syrien das libysche Szenario zu wiederholen, vereitelte dies Russland. Russland stellt sich inzwischen der US-geführten Weltordnung offen entgegen. Die USA und Europa befinden sich ökonomisch im Niedergang. Die Bemäntelung von westlichen Interventionen mit Demokratie und Menschenrechten wird außerhalb Europas kaum mehr ernst genommen, denn die USA haben bspw. wiederholt demokratisch gewählte, aber nicht ausreichend freundliche Regierungen in Lateinamerika, Asien und Afrika gestürzt. Die VR China ist dabei, die USA in Kürze ökonomisch als stärkste Wirtschaftsmacht abzulösen; auch militärisch ist China erstarkt. Die VR China ist de facto mit Russland verbündet. Weiterhin treten andere aufstrebende Staaten – wie Indien, Mexiko, oder Brasilien – zunehmend selbstbewusst auf, organisieren sich in eigenen Zusammenschlüssen (BRICS), lehnen sich z.T. an Russland und China an und hören nicht mehr auf US-Anweisungen.
Scholz nicht mit Ruhm bekleckert
So hat sich Bundeskanzler Scholz bei seiner jüngsten Lateinamerika-Reise eine Abfuhr bei dem Versuch geholt, weitere Staaten für die Unterstützung der Ukraine zu gewinnen. Die Reaktion des neuen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula war dabei besonders barsch. Lula lehnte jede Beteiligung am Krieg ab, auch eine indirekte, will also auch keine Munition für deutsche Leopard-Panzer bereitstellen. Mehr noch: Lula sagte, dass zu einem Krieg immer zwei gehörten – es sei nötig, über die Ursachen zu sprechen, auch über die Rolle der Nato und Europas. Dann forderte Lula noch Verhandlungen unter Beteiligung Chinas. Der Bundeskanzler war mit der Situation überfordert – ein diplomatisches Fiasko seiner Lateinamerika-Reise.
Wann wird die Bundesregierung endlich die neuen Realitäten wahrnehmen und ihnen Rechnung tragen? Die USA nutzen den Ukraine-Krieg z.Zt. offenbar auch dazu, sich ökonomischer Konkurrenten in Europa zu entledigen. Eine “Führungsrolle in der Dienerschaft” (Habeck) gegenüber den USA garantiert nur den Niedergang. Deutschland muss endlich seine Souveränität erlangen und entsprechend seinen eigenen Interessen handeln, statt sich den USA zu unterwerfen.