
Am Freitag wurde die palästinensische Kinderärztin Dr. Alaa an-Najjar zur wohl tragischsten Figur eines Krieges, in dem die Zivilbevölkerung längst das Hauptziel geworden ist. Bei einem israelischen Luftangriff auf Chan Yunis wurden neun ihrer zehn Kinder getötet. Ihr Ehemann überlebte schwer verletzt und ringt im Krankenhaus mit dem Tod.
Das Schicksal der Familie an-Najjar erschüttert selbst in einem Krieg, in dem Leid und Tod zur täglichen Normalität geworden sind. Die israelische Armee erklärte lediglich, man werde den Vorfall „prüfen“. Für viele ist diese Reaktion zynisch – angesichts der tausenden palästinensischen Zivilisten, die seit Beginn der israelischen Offensive ums Leben kamen, darunter über 14.000 Kinder, von denen mehr als 10.000 nicht älter als 12 Jahre alt wurden.
Dr. Tanya Haj Hassan, eine Kollegin von Dr. an-Najjar schildert in einem Interview das Unfassbare: „Sie ist Kinderärztin. Sie hat Tausende Kinder behandelt. Jetzt sind neun ihrer eigenen Kinder unter den Trümmern begraben. Wer kann so etwas aushalten?“. Ihre Worte geben Einblick in den Alltag palästinensischer Medizinerinnen und Mediziner – sie retten Leben, während sie ihre eigenen Familien verlieren.
Und die Angriffe reißen nicht ab. Nur wenige Stunden nach dem Tod der an-Najjar-Kinder wurde eine weitere Schule bombardiert, in der hunderte Schutzsuchende Zuflucht gesucht hatten. Viele verbrannten bei lebendigem Leib. Erneut sind zahlreiche Kinder unter den Toten. Wie auf wundersame Weise konnten einige Opfer lebendig aus den noch qualmenden Trümmern geborgen werden.
Diese Verbrechen geschehen mit offenem Blick der Weltgemeinschaft und mit der Unterstützung einiger westlicher Nationen. Länder wie Deutschland und die USA liefern weiterhin Waffen an Israel. Zwar äußerten sich deutsche Politiker in den letzten Tagen kritischer zu dem Vorgehen, jedoch ist ein Ende der Unterstützung lange nicht in Sicht. Armin Laschet etwa sprach davon, dass das Aushungern der Bevölkerung ein Verstoß gegen das Völkerrecht sei, sprach aber nicht deutlich davon, dass Israel das Aushungern der Bevölkerung als Kriegsmittel und Waffe der Vertreibung nutzt. Auch SPD-Politiker fordern nun einen Stopp deutscher Rüstungsexporte. Taten werden auf diese Worte wohl kaum folgen. Solche Worte wirken wie hohle Phrasen angesichts monatelanger bedingungsloser Rückendeckung für die israelische Kriegsführung.
Diese vermeintlich kritischen Stimmen werden von israelischer Seite ohnehin ignoriert. Stattdessen feiern hochrangige Politiker öffentlich Aufrufe zur völligen Vernichtung Gazas. Der Abgeordnete Tzvika Foghel forderte lautstark, Gaza in Brand zu setzen. Die Knesset urteilte, dies verletze nicht einmal die ethischen Regeln des Parlaments. Der Knesset-Abgeordnete Tzippy Scott prahlte im israelischen Fernsehen damit, dass die Welt den Mord an hunderten Zivilisten tatenlos zusehe und daher problemlos sei. Sein Fazit: „No one cares.“ – zu Deutsch: „Niemanden interessiert es.“, bezogen auf die um die hundert Opfer israelischer Bomben jeden Tag.
Vor diesem Hintergrund erscheint auch das zaghafte deutsche „Umdenken“ als moralische Weißwaschung. Seit Monaten unterstützt Deutschland ein Vorgehen, das von internationalen Organisationen als kollektive Bestrafung und möglicherweise als Kriegsverbrechen eingestuft wird. Der Tod der Kinder von Dr. an-Najjar ist kein Einzelfall, sondern Teil einer systematischen Strategie, die auf Zerstörung, Vertreibung und Entmenschlichung abzielt.
Dass Deutschland, dessen Geschichte so untrennbar mit dem industriellen Massenmord an Unschuldigen verknüpft ist, dies toleriert uns sogar unterstützt, ist eine bittere Anklage. Es scheint, als habe man aus der eigenen Vergangenheit nicht wirklich gelernt – außer wie man die wahre moralische Verantwortung dahinter verdrängt und sich nicht in den Dienst der Menschlichkeit stellt, sondern in den Dienst einer offen rechtspopulistischen, faschistischen israelischen Regierung und ihr Vorhaben.