Vergangene Woche berichteten wir über die Wahlen des neuen israelischen Parlaments und die bevorstehende Koalition Netanjahus mit dem rechten Parteienblock, welcher rechtsextreme Politiker des Religiösen Zionismus miteinschließt. Inoffizielle Koalitionsgespräche finden bereits statt, noch bevor der israelische Präsident Netanjahu mit der Regierungsbildung beauftragt hat. Es wird erwartet, dass die kommende Koalition den illegalen Siedlungsbau und die de facto Vertreibung der Palästinenser noch stärker vorantreiben wird, als bislang. Reham Owda, Journalistin und Politikwissenschaftlerin aus Gaza kommentierte den Wahlsieg gegenüber Reuters wie folgt: „Mit Netanjahu wird der Slogan lauten, kein Frieden, keine Zwei-Staaten-Lösung, mehr Siedlungen, und der Fokus wird auf dem Iran liegen.“
Noch nie war eine Koalition Israels so extremistisch
Von dieser neuen Koalition, welche als die bislang extremistischste in der Geschichte des israelischen Staates bezeichnet wird, werden noch drastischere Schritte gegen Palästinenser und Andersdenkende erwartet, als ohnehin schon vorhanden sind. Israels Apartheidpolitik, die seit Jahrzehnten die Palästinenser unterdrückt, wird von der internationalen Gemeinschaft mehrheitlich hingenommen. International geltendes Recht gilt nicht für die Verbrechen des israelischen Staates und findet auch dementsprechend keine Anwendung. Nur die wenigsten Staaten haben den Mut, sich gegen die Unterdrückung Israels auszusprechen. Sie zahlen dafür den Preis in Form von international auferlegten Sanktionen und Regime-Change Kampagnen, wie wir es in erster Linie am Beispiel der Islamischen Republik Iran sehen können.
Das Ziel: Eine israelisch-jüdische Theokratie
Die zwei bekanntesten Gesichter des extremistischen Parteienblocks, welcher in dieser Wahl den größten Zuwachs an Stimmen verzeichnete, sind Bezalel Smotrich und Itamar Ben Gvir. Smotrich, mit ukrainischen Wurzeln, ist in verschiedenen illegalen Siedlungsgebieten der besetzten Golanhöhen und Palästinas aufgewachsen. Zuvor war er bereits in der israelischen Politik aktiv und soll u.a. eine Schlüsselrolle bei der israelischen Gesetzgebung zur Legalisierung der Annexion palästinensischer Länder gespielt haben. In der Vergangenheit sagte er, er strebe eine israelische Theokratie an. In der kommenden Legislatur möchte er ebenfalls bei der Gesetzgebung mitmischen: An der Auswahl der Richter beteiligt sein, weitreichende Straffreiheit für Politiker sichern, Richtern verbieten, antidemokratische Gesetze niederzuschlagen und die Abschaffung der Anklage wegen „Betrugs und Vertrauensbruch“ zu bewirken, die allen drei Fällen gemeinsam ist, für die Netanjahu vor Gericht steht. Zufrieden wird er nur mit einem hohen Ministerposten sein.
Ben Gvir unterscheidet sich ideologisch nicht von Smotrich. Beide teilen einen Hass auf Araber und befürworten eine „Shoot-to-kill“-Politik für die Besatzungstruppen, wenn es um Steine werfende Palästinenser geht. Beide wollen ein Israel, in dem keine Palästinenser verbleiben. Unterscheiden tut sich Ben Gvir von Smotrich nur durch seine ungehemmtere Auslebung des Extremismus. Erst kürzlich stürmte er mit einem gewaltbereiten Mob an Siedlern, geschützt durch die Besatzungskräfte und mit einer Pistole bewaffnet das palästinensische Viertel Sheikh Jarrah. Dort rief er dazu auf, auf Palästinenser zu feuern, die sich den Besatzungstruppen widersetzen. Ben Gvir, der in der Vergangenheit mehrere Anklagen wegen Hetze und Terrorunterstützung erhalten hat, möchte Minister für Öffentliche Sicherheit werden. Hierfür fordert er Sondervollmachten und finanzielle Mittel.
Welche Ministerposten beide erhalten werden, stehen noch nicht fest. Was feststeht ist, dass eine Eskalation der Gewalt gegenüber Palästinensern und Andersdenke vorprogrammiert ist.
Gratulationen aus aller Welt – Wölfe im Schafspelz
Selbst dieser neue, entschieden extremere Weg der Koalition wird von ranghohen Politikern aus der ganzen Welt begrüßt. So gratulierten u.a. die rechten MPs Ungarns und Italiens, Orbán und Meloni, Indiens MP Modi, Polens Regierungschef und weitere kleinere europäische Staatschefs. Sowie die altbewährten Freunde und internationalen Verteidiger freiheitlicher, demokratischer Werte (Ironie-off). Hierunter Kanadas Trudeau und Frankreichs Macron, der die ohnehin starken bilateralen Verbindungen zu Israel weiterhin bestärken möchte. Der neu-amtierende, Multimillionen-schwere PM Großbritanniens, Rishi Sunak, sprach seine bereits bekannte Israelphilie auch in einem Glückwunschs-Tweet aus.
Die Sprecherin vom Weißen Haus gab u.a. bekannt, dass US-Präsident Biden in einem Telefonat mit Netanjahu u.a. die „unerschütterliche Unterstützung für die israelische Sicherheit“ zusprach. Ebenfalls wurden die gemeinsamen Werte und Interessen betont. Interessant ist, dass ein hebräisches Statement des Büros von Netanjahu bekannt gab, dass Biden zu Netanjahu gesagt haben soll, dass „wir Brüder sind“ und „wir gemeinsam Geschichte schreiben werden“. Wie viel Blut in der vergangenen Geschichte des US-Imperialismus geflossen ist, lässt erahnen, dass die kommenden Pläne sicherlich nicht durch diplomatische Gespräche getragen werden. Und in diesem Zusammenhang ist auch der Tweet des ukrainischen Präsidenten Zelensky zu erwähnen:
„Herzlichen Glückwunsch an @netanyahu zum Wahlsieg. Es ist immer wichtig, echte Demokratie in Aktion zu sehen. UA & IL teilen gemeinsame Werte und Herausforderungen, die jetzt eine effektive Zusammenarbeit erfordern. Wir hoffen, in Zusammenarbeit mit der neuen IL Regierung eine neue Seite zum Nutzen von UA & IL aufschlagen zu können!“
Russland bleibt der große Feind, während Israel ungeschoren davonkommt
Während sich Netanjahus Vorgänger zurückhaltender im Ukraine-Russland Krieg benahm, erwartet man, dass Netanjahu sich mit Waffenlieferungen klar auf die Seite der Ukraine schlagen wird. Das Groteske an diesem Bündnis: Wegen Okkupation, Unterdrückung und Ermordung von Unschuldigen wird Russland als großer Feind der Westmächte angeklagt und die vermeintliche Befreiung der Ukraine ohne Kompromisse als oberste Prämisse in diesem Krieg gesetzt. Während selbst Israels Staatsgründung und nicht zuletzt die jüngst verstärkten Aggressionen gegen die Palästinenser auf Okkupation, Unterdrückung und Ermordung von Unschuldigen basieren.