
Wie der Westen die Menschenrechte in Gaza verrät
Drei Monate lang war Gaza vollständig abgeriegelt: keine Nahrungsmittel, keine Medikamente, keine Treibstoffe. Nicht einmal minimale humanitäre Hilfe wurde zugelassen. Während westliche Regierungen nun betonen, dass endlich wieder Hilfsgüter geliefert werden, zeigt sich ein zynisches Muster: Der Fokus liegt nicht auf einem dauerhaften Waffenstillstand, nicht auf der Beendigung der Besatzung – sondern auf der rein technischen „Ermöglichung“ von Versorgung. Ein elementares Menschenrecht wird als Gnade verkauft.
„Das Recht auf Nahrung und medizinische Versorgung ist kein Zugeständnis – es ist ein völkerrechtlich verbrieftes Grundrecht“, mahnt Ärzte ohne Grenzen (MSF). Die Organisation spricht von einer „gezielten Aushungerung“ der Bevölkerung durch Israel und einem bewussten Angriff auf das Gesundheitssystem. Krankenhäuser seien systematisch zerstört worden, ihre Lagerräume für Medikamente und Ausrüstung bombardiert – darunter auch das medizinische Lager des Nasser-Krankenhauses in Chan Yunis, eines der letzten noch funktionierenden Einrichtungen im Süden Gazas.
Währenddessen gratuliert sich die internationale Gemeinschaft beinahe, insbesondere westliche Staaten, für ihre „vermittelnde Rolle“ bei der Wiederzulassung von Hilfslieferungen. Die Realität jedoch ist bitter: Die Hilfslieferungen sind bisher noch gering und nicht ausreichend für die gesamte Bevölkerung. Zudem führte die sogenannte „Hilfskorridor“-Initiative, die mit US-amerikanischer Unterstützung ins Leben gerufen wurde, kürzlich zu einer tödlichen Massenpanik. Bei der Verteilung der knappen Güter in Gaza kamen mehrere Zivilisten ums Leben.
Dass diese „Hilfen“ als Maßstab für internationale Verantwortung dargestellt werden, während gleichzeitig jede ernsthafte Initiative zu einem dauerhaften Waffenstillstand ausbleibt, offenbart die entmenschlichende Schieflage in der Gaza-Politik des Westens. Die täglich sterbenden Kinder, Mütter und Unschuldigen werden nur mit Kommentaren wie „tragisch“ und „herzzerreißend“ kommentiert. Um den täglichen Mord an 100 Palästinensern oder mehr zu stoppen, wird jedoch nichts unternommen, außer „die diplomatischen Kanäle zu nutzen, um mit den israelischen Partnern die Besorgnis der deutschen Regierung über das Vorgehen zu äußern.“
Parallel zur humanitären Krise eskaliert auch die gezielte Gewalt gegen palästinensische Journalisten. Am 28. Mai wurde bei einem Luftangriff auf das Wohnhaus eines Reporters mindestens acht Menschen getötet – unter ihnen Familienangehörige. Laut der Internationalen Journalisten-Föderation (IFJ) sind seit Beginn des Krieges mindestens 164 Medienschaffende in Gaza getötet worden – viele davon gezielt. Das macht Gaza zu dem tödlichsten Ort für Journalisten in den vergangen 100 Jahren.
In einem Videoausschnitt, der in den sozialen Medien kursiert, bricht ein Journalist in Tränen aus: „Wir berichten nicht mehr. Wir dokumentieren unser eigenes Sterben.“ In dem Kurzvideo weist er ebenfalls darauf hin, welche Auswirkungen die täglichen Drohnen- und Helikopterangriffe auf seine Psyche haben. Selbst nun in Sicherheit, reagiert sein Körper mit Panik auf das Geräusch eines Hubschraubers.
Medizinisches Personal und Pressevertreter stehen unter doppeltem Beschuss – durch Raketen und durch das Schweigen der Weltöffentlichkeit. Die gezielte Ausschaltung jener, die Leid lindern und Wahrheit berichten, ist kein Kollateralschaden, sondern Teil einer bewussten Strategie: Gaza soll nicht nur zerstört, sondern zum Schweigen gebracht werden. Hinzu kommt, dass weiterhin keine internationalen Journalisten Gaza betreten dürfen. Der vorgeschobene Grund ist die Besorgnis um die Sicherheit. Stimmen werden auch aus westlichen Medienhäusern lauter, dass dies nur ein Vorwand sei, das Massaker an der Palästinensern weitestgehend undokumentiert und frei fortführen zu können.
Währenddessen erklären westliche Regierungen weiterhin ihre Solidarität mit Israel – und schweigen weitgehend zu den massiven Menschenrechtsverletzungen. Die Wiederaufnahme von Hilfslieferungen wird als politischer Erfolg gefeiert, während gleichzeitig Krankenhäuser brennen, Journalistinnen und Journalisten sterben und der Druck auf die palästinensische Zivilbevölkerung täglich wächst.
Der Westen klopft sich mit den Hilfslieferungen auf die Schulter – er hat sich mit einem Minimum zufriedengegeben und die Verantwortung an Menschenrechten, Güte und Gerechtigkeit abgelegt.