Der bisherige österreichische Kanzler Sebastian Kurz ist vor allem für zwei Eigenschaften berühmt. Erstens war er der jüngste Regierungschef der EU. So wurde er Kanzler im Alter von nur 31 Jahren und beherrscht die Volkspartei ÖVP. Die ÖVP ist größte Volkspartei Österreichs, politisch annähernd vergleichbar mit dem rechten Flügel der CDU in Deutschland. 2017 trat die Volkspartei unter dem Namen “Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP)” an. Als langjähriger Chef der Jugendorganisation der Partei transformierte Kurz die ÖVP in eine One-Man-Show. So etwas hat es vorher noch nie gegeben.

Und zweitens gilt er als äußerst kritisch bis hin zu feindlich gegenüber dem Islam und den Muslimen eingestellt. Er treibt die Debatte um den sog. “politischen Islam” und “legalistische Muslime” aktiv voran, spricht vom Kampf gegen den politischen Islam, von Überwachung von Moscheen, betreibt das bekannt gewordene Moschee-Register samt öffentlicher politischer und ideologischer Einschätzung der Gemeinden und verbindet gerne eine harte Flüchtlingspolitik mit Ängsten gegenüber dem Islam.

Rücktritt oder Rücktrick?

Vor wenigen Tagen jedoch fiel ihm sein rasanter Aufstieg vor die Füße. Die österreichische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn persönlich und mehrere seiner Mitstreiter wegen des Verdachts der Korruption und Veruntreuung staatlicher Gelder. Er soll in den Jahren vor seiner Kanzlerschaft mit Staatsgeldern aus dem Finanzministerium Journalisten bestochen haben, um sich wohlwollende Artikel in reichweitenstarken österreichischen Medien zu erkaufen. Zudem habe er im Wahlkampf gefälschte Umfragen zu seinen Gunsten veröffentlichen lassen. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte das Kanzleramt als auch mehrere Kurz-Berater. Damit war die ÖVP unter Kanzler Kurz als Koalitionspartner der Grünen nicht mehr tragbar und er trat nach anfänglicher Weigerung als Kanzler zurück. Aber ein richtiger Rücktritt sieht anders aus. Er bleibt nämlich Chef der ÖVP und Fraktionsvorsitzender im Parlament, und damit der eigentliche Machthaber nach wie vor, noch vor dem neuen ÖVP-Kanzler Alexander Schallenberg, der als enger Getreue von Kurz gilt.

Kritiker sprechen daher auch von einem Rücktrick des Kanzlers, statt einem Rücktritt. Er versuche Druck rauszunehmen, die Koalition mit ihm als Chef der größeren Regierungspartei zu erhalten und sich in die parlamentarische Immunität als Abgeordneter zu flüchten. 

Sollte es uns wundern, dass ein Kanzler wie Sebastian Kurz, der gegen eine friedliebende Religion wie dem Islam hetzt und ankämpft, auf anderer Seite offensichtlich keine Moral und Tugend besitzt, sein eigenes Land gerecht und korruptionsfrei zu regieren?

Dies ist schon die zweite Regierungskrise unter Kurz innerhalb von vier Jahren. Man darf gespannt sein, ob Kurz sich politisch wird halten können. Er bleibt, Stand heute, weiter der starke Mann Österreichs. D. h. Österreicher und insbesondere österreichische Muslime müssen weiterhin seine Attacken auf den Islam erwarten. Vorerst aber nur in abgeschwächter Form.