Die Bundestagswahlen sind vorbei – was bedeuten die Wahlergebnisse aus muslimischer Sicht? Betrachten wir als Erstes das Ergebnis der einzigen dezidiert islamfeindlichen Partei, der AfD. Die AfD hat bundesweit deutlich an Stimmen verloren. Von 12,6% der Zweitstimmen im Jahr 2017 auf 10,3% in diesem Jahr; das entspricht einem Rückgang von fast 20% ihres Ergebnisses. Endlose parteiinterner Streitigkeiten haben dieses schlechte Ergebnis begünstigt – trotz der vergangenen Krisenjahre, die einer Partei wie der AfD in die Karten spielen sollten. Dennoch konnte sie im Osten ihre Erfolge von 2017 wiederholen, insbesondere wurde sie in Thüringen und in Sachsen stärkste Kraft, in Sachsen sogar deutlich, und errang insgesamt 16 Direktmandate, ein Rekord für die AfD. 

Ihr inhaltliches Wählerpotenzial ist möglicherweise trotz dieses Dämpfers noch nicht ausgeschöpft. Ihre parteieninternen Zwiste und die unsichere Parteiführung schrecken eine größere Wählerschaft bisher ab.

Volksparteien?

Was das Hauptergebnis betrifft, so ist die Zeit der großen Volksparteien offenbar vorbei. Die als Sieger gefeierte SPD erreichte mit 25,7% nur dasselbe Ergebnis wie 2013, also ihr drittschwächstes der gesamten Parteigeschichte. Die CDU/CSU hat mit 24,1% gar mit großem Abstand ihr schlechtestes Ergebnis eingefahren. Selbst die Grünen erreichen mit ihren 14,8% nichtmal annähernd das Niveau einer Volkspartei. Die Linke hat ihr Ergebnis dank katastrophaler Flügelkämpfe nahezu halbiert. Die unter Muslimen viel diskutierte Partei Team Todenhöfer erreichte mit 0,5% ein respektables, aber politisch nicht relevantes Erstergebnis.

Da eine Fortsetzung der großen Koalition, dann unter einem Kanzler Scholz, als Verrat am Wählerwillen verstanden werden müsste, bleiben politisch realistisch nur die Möglichkeiten CDU+Grüne+FDP – die sog. Jamaika-Koalition – oder SPD+FDP+GRÜNE, die sog. Ampel-Koalition. Viel spricht aktuell für Letztere. 

Muslime in Deutschland dürfen möglicherweise unter Ampelkoalition eine Minderung der Kriminalisierungen der Gemeinden erfahren, die die CDU vorangetrieben hat, sowie eine allgemeine Abschwächung des von Islamhass getriebenen politischen Klimas in Teilen der Regierung – freilich ohne Garantie. Im Bereich der Außenpolitik gegenüber den USA, dem Osten, China und Russland, sowie gegenüber der islamischen Welt und der Unterstützung des westlichen Imperialismus ist leider in keinem Fall Besserung zu erwarten. Alle möglichen Koalitionspartner haben sich bereits im Vorfeld mit großem Pathos dem Führungsanspruch der USA über Deutschland ergeben. Was die Familien- und Ehewerte betrifft, so ist eine Beschleunigung der Entwertung dieser heiligen Institutionen zu befürchten. Diese Entwertung wäre unter einer unionsgeführten Regierung aber ebenso, wenn auch deutlich verlangsamt, erfolgt.

Insgesamt zeigt diese Wahl trotz allem ein mögliches künftiges Potenzial für muslimische Interessen bei Wahlen, die in kommenden Generationen durch stärkere Organisation und Bündelung zum Wohle aller Deutschen wirken können, insbesondere in den genannten kritischen politischen Feldern.