Bei den morgigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei sind ca. 64 Millionen Türkinnen und Türken dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Der amtierende Präsident Erdogan hat die Wahl angesichts eines zu erwartenden knappen Wahlausgangs inzwischen zur Schicksalswahl für die Republik hochstilisiert. In der Mehrheit der Umfragen liegt der Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu (von der “kemalistischen” CHP), Vizepräsident der Sozialistischen Internationale und Kandidat eines Bündnisses aus 6 Oppositionsparteien, der das Präsidialsystem in dem Land wieder abschaffen will, vor dem seit zwei Jahrzehnten amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Inflation, Währungsverfall und stark gestiegene Lebensmittelpreise führen zahlreiche Wählerinnen und Wähler zur Opposition. Angesichts eines zu erwartenden knappen Wahlausgangs ist zu befürchten, dass nach der Wahl Manipulationsvorwürfe laut werden.

Bei all dem, was man an Erdogan auszusetzen haben mag (und das ist nicht wenig, wenn man z.B. seine Rolle in Syrien-Krieg analysiert), so erscheint er doch aus der Perspektive der nationalen Souveränität des Landes als das kleinere Übel gegenüber Kilicdaroglu. Er nutzte in seiner Regierungszeit die geopolitische Lage der Türkei, um zwischen der NATO als strategischem und Russland als taktischem Partner zu lavieren, wobei er es stets vermied, zu einem Vasall der USA zu werden. Im Gegensatz zu den früheren Präsidenten schreckte er auch nicht vor heftiger Kritik an Israel zurück.

Wunschkandidat des Westens ist klar

Die westlichen „Partner“ wollen in Ankara einen verlässlichen Mann an der Macht wissen, der zur „Sicherung“ ihrer Energiewege beiträgt, die NATO-Militärstützpunkte unangetastet lässt, die Sanktionen gegen Russland mitträgt, die Blockadehaltung innerhalb der NATO aufgibt und seiner Aufgabe als Türsteher gegen Flüchtlinge nachkommt. Da es eines der Wahlversprechen des Oppositionslager ist, würde eine neue Regierung in Ankara sehr wahrscheinlich als erstes den Nato-Beitritt von Schweden und somit die Expansion des Bündnisses genehmigen. Es ist daher kein Geheimnis, dass die USA und ihre willigen Helfer lieber Kilicdaroglu als Präsidenten der Türkei sehen würden als Erdogan.

Denn der Oppositionskandidat hat zugesagt, außenpolitisch vieles zu ändern. So hat Kemal Kilicdaroglu in mehreren Interviews versprochen, dass er als Präsident der Türkei das Land wieder eng an die USA, den Westen und Europa binden würde. So versicherte er Anfang Mai gegenüber dem britischen Sender BBC: „Wir werden unsere Richtung neu kalibrieren und nicht die Beziehungen mit dem Kreml, sondern Beziehungen mit dem Westen priorisieren.“ In der britischen Zeitschrift The Economist schrieb er: „Mit unserem Sieg am 14. Mai werden wir uns wieder dem Westen zuwenden.“

Auch Kilicdaroglus Berater Ünal Ceviköz gab in zahlreichen Interviews zu verstehen, dass die Türkei zukünftig aus einer nach Westen gerichteten Position heraus handeln solle, was mit eine Anerkennung für westliche Werte verbunden sei.

Die USA und ihre willigen Helfer werden die Gelegenheit nicht versäumen wollen, die Türkei wieder eng an sich zu binden. Wenn es zu einem knappen Sieg von Erdogan kommen sollte, kann aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre nicht ausgeschlossen werden, dass eine Soros/CIA- Farbenrevolution initiiert werden könnte, um den Sturz Erdogans zu betreiben.