Wer jetzt gleich mit „Verschwörungstheoretiker“ bezogen auf den Putschversuch von Prigoschin aufheult, sollte sich an die u.a. von Peter Scholl-Latour angesprochenen Pläne zur Zerschlagung der Russischen Föderation in den 1990er Jahren erinnern, wo die CIA-Saudi-Connection aus dem Afghanistan-Krieg aufgewärmt wurde und Tschetschenien und Tatarstan mit wahhabitischen Predigern und Kämpfern überschwemmt wurden, u.a. der Auftakt zu den Tschetschenien-Kriegen.
Beim nun überraschend wieder abgeblasenen Putsch von Prigoschin bleiben viele Fragen offen.
Die „Washington Post“ berichtete am Samstag von „einer Reihe von Geheimdienstbriefings“ der US-Dienste „in Bezug auf Wagner und Prigoschin“ bereits Mitte des Monats (!). Inzwischen berichten auch deutsche „Qualitätsmedien“, dass die US-Dienste vorher informiert waren. Geht es hier nur darum, dass die US-Dienste schon im Vorfeld von der Sache wussten, wie uns z.B. „Der Spiegel“ nahelegen will oder waren sie nicht in Wahrheit involviert?
Es geht hier immerhin um „Geheimdienstbriefings“ vor ca. 14 Tagen (!) Die US-Dienste zeigten sich immerhin auch in der jüngeren Vergangenheit erstaunlich schlecht informiert. Beispiel hierfür sind die Ereignisse in Afghanistan. Wenn die US-Geheimdienste bereits 2 Wochen vorher informiert waren, wieso hatten dann die russ. Geheimdienste keine Kenntnisse von den Absichten Prigoschins? Sind die Russen eben einfach dümmer, wie uns die hiesigen Medien ständig suggerieren?
Gestern war bei Berichten zu diesen Ereignissen in ARD und ZDF immer wieder zu hören, dass Prigoschin diesen Coup nicht allein bewerkstelligt haben kann, er hätte geheimdienstliche Informationen benötigt. Die Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann schwadronierte auf beiden Kanälen, Prigoschin habe eben Mitwisser im Kreml gehabt – eine angesichts der Feindschaft von Prigoschin zur russ. Militärführung nicht gerade plausible Erklärung.
Was für einen anderen Ablauf spricht
Prigoschin hatte sich zwei Tage vor seinem Putschversuch überraschend positiv zur NATO geäußert und die offizielle Begründung für das russ. Eingreifen in der Ukraine infrage gestellt. Was den Erfolg der ukrainischen Offensive betrifft, übernahm er überraschend die ukrainische Version von großen Erfolgen, was selbst westliche Medien skeptisch betrachten – zu groß sind die Beweise für massive ukrain. Verluste bei der Offensive. Prigoschins Feindschaft zu der russischen Militärführung hatte erkennbar einen Punkt erreicht, indem er entschlossen war, selbst kurzfristig mit dem Teufel zu paktieren, um mit dieser Führung abzurechnen, wovon er immer häufiger sprach. Ist eine Kontaktaufnahme von US-Diensten in dieser Situation unwahrscheinlich?
Der Coup erfolgte schließlich zu einem Zeitpunkt, als die lang erwartete ukrain. Offensive, mit der man in westlichen Medien die gigantischen Waffenlieferungen rechtfertigte, zu scheitern drohte. Woher soll die Ukraine noch die gut ausgebildeten Soldaten für eine solche Offensive nehmen? Inzwischen werden über 50-jährige rekrutiert, die Ausbildung ist schlecht, die Verluste entsprechend hoch. Der Gedanke, Russland in einen Bürgerkrieg zu stürzen, entscheidend zu schwächen und dadurch der Ukraine doch noch zum Erfolg zu verhelfen, liegt auf der Hand. Dadurch hätte man auch den schon lange geplanten „Regime Change“ in Russland vollziehen können.
Warum ging der Plan dann nicht auf? Prigoschin ist impulsiv und fühlt sich allerdings auch als Patriot – einen „Pakt mit dem Teufel“ hätte er nur in seinem Zorn auf die Militärführung geschlossen, um mit dieser abzurechnen.
Der weißrussische Präsident Lukaschenko verstand es dann, Prigoschin vor Augen zu führen, dass ein Blutvergießen in dieser Situation nur dem Feinde nutzt, worauf Prigoschin von seinen Plänen abließ. Ist der hier skizzierte Ablauf so unwahrscheinlich oder nicht vielmehr eine Antwort auf all die offenen Fragen? Er ist jedenfalls wahrscheinlicher als die Spekulationen von Strack-Zimmermann.
Cui bono? Wem hätte der Putsch genutzt?