Die neue rechtsorientiere Regierung Israels plant den Siedlungsbau im besetzten Palästina voranzutreiben. US-Präsident Biden bekräftigt, im Zuge seiner Gratulationsnachricht an Netanjahu, das Ziel einer Zweistaatenlösung im Nahost-Konflikt. Offene Kritik an der neuen Regierung fehlt aber aus Washington, Berlin oder Brüssel.
Biden mahnt, während Scholz lediglich gratuliert
Die neugewählte Regierung in Israel ist, wie bereits in früheren Artikeln erwähnt, die bis dato am weitesten rechtsstehende Koalition. Eines ihrer Leitlinien ist es den Siedlungsbau auch in Gebieten voranzutreiben, die die Palästinenser für einen künftigen Staat beanspruchen.
“Das jüdische Volk hat ein exklusives und unveräußerliches Recht auf alle Teile des Landes Israel”, heißt es in einem Dokument, welches die Regierung Netanjahus veröffentlichte. “Diese Regierung wird die Besiedlung aller Teile des Landes Israel fördern und entwickeln – in Galiläa, im Negev, auf den Golanhöhen und in Judäa und Samaria.”
US-Präsident Biden, der seit Jahrzehnten mit Netanjahu befreundet ist, freut sich dennoch „gemeinsam die zahlreichen Herausforderungen und Chancen anzugehen, denen sich Israel und die Region des Nahen Ostens gegenüberstehen, einschließlich der Bedrohungen durch den Iran“. Jedoch schrieb er abschließend, anders als beim letzten Regierungswechsel im Juni 2021: „Wie wir es während der Amtszeit meiner Regierung immer getan haben, werden die Vereinigten Staaten weiterhin die Zwei-Staaten-Lösung unterstützen und sich Politik entgegenstellen, die ihre Realisierbarkeit gefährdet oder unseren gemeinsamen Interessen und Werten zuwiderläuft.“
Auch US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich zu dem Verhalten Israels, ohne sich jedoch direkt auf Netanjahu zu beziehen. So warnte er vor der „Ausweitung von Siedlungen, Bestrebungen zur Annexion des Westjordanlandes, Beeinträchtigung des historischen Status quo der heiligen Stätten, Abrissen (von Häusern) und Zwangsräumungen sowie der Anstachelung zur Gewalt“.
Bundeskanzler Scholz hingegen verzichtete auf jegliche Kritik und gratulierte bloß der neuen Regierung. Außerdem hob er die besondere und enge Freundschaft zu Israel hervor. Auch EU-Kommissionpräsidenten von der Leyen beglückwünschte per Twitter. Sie hofft auf einen weiteren Ausbau der Partnerschaft zwischen der EU und Israel.
Rechte der Palästinenser werden durch die Politik Israels immer weiter eingeschränkt
Im Jahre 1967 hat Israel während des Sechs-Tages Krieges unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Rund 600.000 Israelis leben heute dort in mehr als 200 Siedlungen. Der UN-Sicherheitsrat bezeichnete diese Siedlungen 2016 als Verletzung des internationalen Rechts und forderte alle Siedlungsaktivitäten einzustellen. Die Palästinenser wollen in den besetzten Gebieten einen eigenen Staat errichten.
Mit der neuen Regierung Netanjahus wird man die Rechte der Palästinenser noch weiter einschränken. Es ist aber schon immer so gewesen, dass jüdische Israelis Rechte besitzen, die Palästinenser nicht besitzen. Und darüber, dass Israel nicht vor hat ein pluralistischer Staat für alle seine Bürger zu werden, sind sich alle in dieser und den letzten Regierungen einig.
Der neue Polizeiminister Ben-Gvir, der bereits in der Vergangenheit wegen Anstiftung zu Terrorismus verurteilt wurde, möchte am liebsten die Palästinenser aus der Westbank deportieren und diejenigen Palästinenser, die innerhalb Israels leben, zum nationalen Sicherheitsrisiko erklären. Sein politischer Kollege, der neue Finanzminister Bezalel Smotrich, befürwortet ganz offen eine Annexion der palästinensischen Gebiete durch Israel. Dabei sollen die dort lebenden Palästinenser keine Staatsbürgerschaft erhalten. Er erhielt im Koalitionsabkommen die Vollmacht über die Besetzung jener Gebiete. Dies bedeutet, dass er den Neubau und die Erweiterung von Siedlungen in der Westbank genehmigen lassen kann. Dazu gehört auch die Befugnis palästinensische Häuser abreißen zu lassen.
„Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten“
Die oft getätigte Aussage, dass Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten sei, war noch nie haltbar. Jetzt jedoch mehr denn je. In Deutschland ist man immer noch zurückhaltend. Beispielsweise wies das Auswärtige Amt die Bezeichnung der neu gewählten Koalition als „rechtsradikal“ zurück. Israel darf sich so einiges erlauben, ohne mit Repressalien rechnen zu müssen. Anders sieht es bei Russland oder Iran aus. Hier hat man schnell ein Urteil gefällt. Anschuldigungen und Sanktionen folgen prompt auf Kosten der eigenen Bevölkerung. Diese Doppelmoral sorgt dafür, dass das Vertrauen in die deutsche Politik immer weiter sinkt, sei es auf Bundes- oder Weltebene. Dies wird sich auch nicht bessern, solange Deutschland Politik für andere Mächte macht und nicht für das eigene Volk.