Schweres Erdbeben und die internationale Reaktion

Schweres Erdbeben und die internationale Reaktion

Die herzzerreißenden Bilder und Videos vom Erdbeben der Türkei und in Syrien bewegen aktuell die muslimische Welt und ihre Verbündeten.

Wir vom Spektrum Islam-Team sprechen allen Opfern und Angehörigen viel Kraft, Geduld und unsere Anteilnahme aus. Mögen die Seelen beim Schöpfer der Welten auf Seine Gnade treffen.

Ein Erdbeben in diesem Ausmaß zeigt uns allen wieder einmal, von einem Moment in den Anderen, wie vergänglich diese Welt doch ist, wie schnell unser aller Leben enden kann und wie wichtig es ist die verbleibende Zeit im hier und jetzt für das beste einzutauschen, für das es sich lohnt das geliehene Leben zu sterben.

In der Nacht auf Montag, den 6. Februar erschütterten Erdbeben mit einer Stärke von 7,7 und am Morgen mit einer Stärke von 7,6 den Südosten der Türkei und die Grenzbereiche Syriens. Erdbeben, wie es sie in dieser Stärke schon ziemlich lange nicht mehr gegeben hat.

Die Auswirkungen und Nachbeben waren in der ganzen Türkei, Syrien, Palästina und Libanon zu spüren. Ganz besonders viele Flüchtlinge waren in den Gebieten, um sich vor dem Krieg zu retten. Es gibt Tausende Tote und unzählige Verletzte, deren Zahlen in den nächsten Tagen noch einige Male nach oben korrigiert werden.

In solchen Fällen rückt die Menschheit näher und jedes Land bietet Hilfe in finanzieller, humanitärer oder ähnlicher Form an. Länder wie Nordkorea, Libanon, Griechenland, Indien, Japan und Taiwan sind nur ein Teil von den Ländern, die die Türkei unterstützen. Deutschlands Hilfe nimmt die Türkei sicherlich auch dankend an, aber an ihren Mitteln, die sie bereitstellen, sieht man, dass es für die deutsche Regierung lohnender ist, den Krieg in der Ukraine zu finanzieren statt Menschenleben zu retten.

Im Gegensatz dazu steht die deutsche Bevölkerung, die unermüdlich finanzielle und humanitäre Hilfe schickt.

Die ersten, die mitunter Hilfe an Syrien und Türkei sandten, waren der Iran und Russland, die Feinde des Westens. Im Interview dankte der stellvertretende syrische Verkehrsminister dem Iran ausdrücklich für die humanitäre Hilfe, er betonte, dass der Iran immer die Ersten seien, die Hilfe und Unterstützung böten.

Die Hilfe des Westens gegenüber Syrien ist leider nicht nennenswert. Die Hilfe an die Türkei ist vollkommen notwendig und hilfsbereit, aber wenn es um Menschlichkeit geht, muss Syrien geholfen werden.

Von wem man keine Unterstützung oder Hilfe bekommt, sind die Menschengruppen, die jedes menschliche Gefühl wie Liebe, Mitgefühl, Trauer und Beistand verloren haben.

Charlie Hebdo, die Satirezeitung in Anführungszeichen, die auf Verletzte mit Füßen tritt, hat nun erneut nach einem Erdbeben eine Karikatur rausgehauen, die ihresgleichen sucht.

Das Bild besteht aus zerstörten Hochhäusern und Schutt. Darauf die Schrift:

Jetzt brauchen wir nicht einmal mehr Panzer schicken.

Warum erneut? Da sie 2016 beim Italien-Erdbeben die Verstorbenen unter den Mauern als Lasagne und die Opfer als Nudeln mit Tomatensoße betitelten.

Sie selbst bettelten um Mitleid, als es um #jesuisCharlie ging. Aber Menschenfeinde sind nicht fähig, das Leid eines anderen zu empfinden. Ihre Herzen sind aus Stein und ihre Gedanken nur aus Feuer.

Link zum Video.

Türkei gegen das Kopftuchverbot

Türkei gegen das Kopftuchverbot

Seit Jahrzehnten gehört die Kopftuchfrage fest zur politischen Debatte der Türkei. Bei einer Bevölkerung von rund 90% Muslimen, wäre zu erwarten, dass solch eine wichtige Praxis innerhalb des Islams nicht infrage gestellt werden müsste. Dem ist allerdings nicht so. Die Republik Türkei definiert sich seit 1923 als säkular. Bis vor wenigen Jahren hielt man eine strikte Trennung von Religion und Staat aufrecht.

Während der letzten Jahre bewirkte die regierende Partei AKP eine institutionelle Öffnung in Hinblick auf das Kopftuch. Nun ging Präsident Recep Tayyip Erdogan einen Schritt weiter und schlug die Änderung der türkischen Verfassung vor. Dies möchte er tun, um das Recht der Frau auf das Tragen des Kopftuchs endgültig und ohne Einschränkungen zu gewähren. Dieser Vorschlag werde dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt, bliebe er erfolglos, würde es ein Referendum geben. „Wenn dieses Problem im Parlament nicht gelöst wird, werden wir es dem Volk vorlegen“, sprach der türkische Präsident zuversichtlich über einen positiven Ausgang des Referendums.

Der Wandel um die Kopftuchfrage

Trotz der Säkularisierung der Türkei durch Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk, kam es zu keinem klaren Verbot des Tragens von Kopftüchern bis zu einem Militärputsch von 1980. Das Kopftuchverbot wurde in öffentlichen Einrichtungen eingeführt und betraf Universitätsmitarbeiter, Studenten, Anwälte, Politiker, Ärzte und andere im öffentlichen Dienst. Nach 2008 hob die AKP dieses Verbot schrittweise auf. 2010 konnten Studentinnen erstmals mit dem Kopftuch zur Universität. 2013 durften es Frauen in staatlichen Institutionen tragen. 2014 erhielten auch Schülerinnen die Freiheit. Seit 2015 wurde es graduell auch für Beamtinnen der Justiz, der Polizei und des Militärs möglich bei ihrer Arbeit ein Kopftuch zu tragen.

Präsidentschaftswahlen 2023 in der Türkei

Die Kopftuchfrage gilt auch als ein beliebtes Thema vor den Wahlen. Im kommenden Jahr steht die nächste Parlamentswahl in der Türkei zum 100-jährigen Bestehen der Republik an. Erdogan selbst bezeichnet es als eine historische Wahl, der er sich aus der schlimmsten Wirtschaftskrise der Türkei seit 20 Jahren zu stellen hat. Themen, welche primär die religiöse Bevölkerung betreffen, kamen ihm im Wahlkampf bislang immer zugute. So mag dies ein Versuch von Erdogan sein, den öffentlichen Diskurs von der schlechten Ökonomie zur Identitätspolitik zu verlagern. Auch die größte Oppositionspartei, die säkular ausgerichtete CHP, wurde sich nun der Wichtigkeit der religiösen Wählerstimmen bewusst. Und so kam von ihrem Vorsitzenden sogar der untypische Vorstoß für ein Gesetz zur Garantie des Tragens des Kopftuchs, was Anlassgeber für den Vorschlag zur dahingehenden Verfassungsänderung Erdogans war.

Verfassungsänderung auch gegen LGBTI+?

Noch arbeitet man den Wortlaut der Verfassungsänderung aus. Allerdings betonte Erdogan bereits „zusätzliche Änderungen“ vornehmen zu wollen, welche vor allem LGBTI+ Befürworter kritisch beäugen. Erdogans Forderungen zielten darauf ab, die Grundrechte der „Ehepartner“, die momentan in der Verfassung neutral bezeichnet sind, näher zu definieren. Die Oppositions-Zeitung „Cumhuriyet“ berichtet über Erdogans Aussage, die „Familieninstitution, die aus der Einheit von Männern und Frauen besteht“, stärken zu wollen. Auch kritisiert die Regierung den Westen, die Familienstruktur zu untergraben, indem er einigen Gesellschaften LGBTI+ Auflagen auferlegt.

Verfassungsänderungen der Türkei klares Gegenbeispiel zur politischen Agenda des Westens

Mit diesen Vorstößen schlägt Erdogan einen Kurs ein, welcher der Agenda der Westmächte entgegenschlägt. Seit Jahren wird hier politisch und medial versucht, das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung und des Radikalismus im Bewusstsein der Menschen zu etablieren. Leider nicht selten mit Erfolg. So sehen wir auch momentan in westlichen Großstädten Proteste gegen das Kopftuch, die mehrheitlich von Menschen geführt werden, die selbst nicht zu praktizierenden Muslimen oder gar dem Islam angehören. Unter dem Vorwand des Einstehens für die Freiheit und für das Recht auf die Selbstbestimmung der Frau, nehmen sie Frauen, die sich bewusst für das Tragen des Kopftuchs entscheiden eben jene Freiheit und jenes Recht auf Selbstbestimmung.

Mit ihrer feindlichen oder ablehnenden Sicht auf das Kopftuch, erheben sie einen Deutungsanspruch über dessen Bedeutung und befeuern Vorurteile, die zu einer gesellschaftlichen Ausgrenzung von Kopftuchträgerinnen führt. Dass die westlichen Mächte diesen Vorstoß für das Kopftuch und gegen die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht willkommen heißen, liegt auf der Hand. Doch solange gewisse Beziehungen zu einigen Mächten aufrechterhalten werden, wird es sicherlich keine Feindbild-Stigmatisierung der Türkei geben, wie es den Iran seit Jahrzehnten trifft. 

Türkei
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bei einem Auftritt mit seiner Frau Emine Erdogan
(Bild: APA/AFP/Adem ALTAN)

Die Normalisierung der Beziehung zu Israel und ihre Folgen (Teil 1) 

Die Normalisierung der Beziehung zu Israel und ihre Folgen (Teil 1) 

Mit der Türkei erweitert sich die Liste der muslimisch geprägten Länder, die ihre Beziehung zu Israel normalisieren. Diese Normalisierung sorgt dafür, dass die Menschen eine Gleichgültigkeit für die Unterdrückung des palästinensischen Volkes entwickeln. In diesem Teil geht es um die Normalisierung der Beziehung zwischen der Türkei und Israel.

Erdogan galt für viele als Held, der sich für die Palästinenser einsetzte

Im Jahre 2009 ging Erdogan für seine bekannten „One-Minute“ Rede gerade unter den Muslimen viral. Er wurde als Held gefeiert, der sich für die Palästinenser einsetzte.

Doch schon damals pflegten die Türkei und Israel ein gemeinsames Bündnis. Dieses Bündnis wurde im Jahre 2010 erschüttert. Auslöser dafür war die Erstürmung eines Gaza-Solidaritätsschiffs durch die israelische Marine. Bei der Erstürmung tötete die israelische Marine zehn türkische Staatsbürger. Sechs Jahre später kam es zu einer ersten Wiederannäherung. Aber auch diese hielt nicht lange. Seit der Gaza-Krise 2018, die aufgrund der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem eskalierte, hatten die beiden Länder keine Botschafter mehr im jeweils anderen Land.  

Im Jahre 2017 sagte der türkische Präsident Erdogan noch folgendes über Israel:  

„Was ist der Unterschied zwischen den aktuellen Praktiken der israelischen Führung und der rassistischen und diskriminierenden Politik, die damals in Amerika und bis vor kurzem in Südafrika gegen Schwarze angewandt wurde?“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

Außerdem nannte er Israel einen terroristischen Staat:

„Palästina ist ein unschuldiges Opfer (…) Was Israel anbelangt, das ist ein terroristischer Staat, ja, terroristisch!“

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

Die Heuchelei Erdogans zeigt sich in der Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen mit Israel

Israels Regierungschef Lapid und der türkische Staatschef Erdogan haben sich am Rande der UN-Vollversammlung in New York getroffen. Es war das erste Treffen seit fast 15 Jahren zwischen dem türkischen Präsidenten und einem israelischen Ministerpräsidenten. Laut Lapid war es ein „produktives Treffen“ gewesen. Außerdem schrieb er:

„Die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei sind ein Schlüssel für regionale Stabilität und bringen beiden Ländern greifbare Vorteile“

Israels Regierungschef Jair Lapid

Und:

 „Wir haben darüber gesprochen, wie wir die Beziehungen beider Länder nach Jahren der Krise voranbringen können.“

Israels Regierungschef Jair Lapid

Die Normalisierung der Beziehung zu Israel erzeugt eine Gleichgültigkeit für die Unterdrückung des palästinensischen Volkes

Durch die Normalisierung der Beziehung der Türkei und anderer muslimisch geprägten Länder zu Israel, entsteht bei den Menschen eine Gleichgültigkeit für die Unterdrückung des palästinensischen Volkes. Nach außen hin wird den Nicht-Muslimen nämlich vermittelt, dass die Muslime, die ständig darüber sprechen eine Gemeinschaft (Umma) zu sein, sich nur um ihre eigenen landespezifischen Interessen kümmern und den Unterdrückten in der muslimischen Gemeinschaft nicht zu Hilfe eilen. Und die Muslime selbst, die sehen, wie ihre Führer Israel die Hand ausstrecken, sehen die eigenen wirtschaftlichen Vorteile und vergessen das Leid ihrer palästinensischen Geschwister. Dieser Zustand der Gleichgültigkeit lässt sie jedoch eine Teilschuld an der Unterdrückung der Palästinenser haben.

Im nächsten Teil geht es um das Abraham-Abkommen und was dies mit dem Iran zu tun hat und wie sich die aktuelle Literaturnobelpreisträgerin gegen Israel ausspricht.

Israel
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (rechts) und der israelische Präsident Isaac Herzog auf einer Konferenz in der türkischen Stadt Ankara. picture alliance / Xinhua News Agency | Mustafa Kaya, Picture Alliance